Decision To Leave (Park Chan-wook, 2022)

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Vor Parasite kam Oldboy

Liebhabern des Kinos sollte Park Chan-wook, eine der bekannteren Stimmen des immer populärer werdenden südkoreanischen Kinos nicht unbekannt sein. Park Chan-wooks vermutlich meist berüchtigter Film Oldboy, der unter anderem aufgrund seiner Auszeichnung mit dem „Großen Preis der Jury“ auf dem Cannes Filmfestival 2004 und sein Film The Handmaiden aus dem Jahr 2016 konnte sich insbesondere international beweisen.

Dabei sticht er stilistisch mit zum Humor tendierender Brutalität, die genauso schnell auch in exzessivem Ekel enden kann, kreativen Kameraeinstellungen, schwarzem Humor und oftmals anspruchsvollen Montagetechniken hervor, während er im Allgemeinen keine Scheu vor sozialen Tabus hegt. Mit kleinen Ausnahmen sind all diese stilistischen Merkmale auch in seinem neuesten Werk Decision To Leave vertreten. Hier widmet sich Park Chan-wook einer Detektiv Geschichte, die in Frau ohne Gewissen (Billy Wilder, 1944) Manier in romantischer Anziehung zwischen Polizisten Hae-joon (Park Hae-il) und der Tatverdächtigen Seo-rae (Tang Wei) mündet.

Nach Erfolg auf dem diesjährigen Cannes-Filmfestival und einer weiteren Nominierung für den großen Jury Preis, gewann Park Chan-wook dieses Jahr den Preis für den besten Regisseur. Den Kinostart fand der Film am 29. Juni 2022 in Südkorea, am 14. Oktober in den USA und nach einer Verschiebung vom Dezember nun erst ab dem 2. Februar 2023 unter dem Namen ‚Die Frau im Nebel‘ bei uns in deutsche Kinos.

Betört vom Beruf

Park Chan-wooks stilgesteuerte Regie offenbart sich schnell. Wenige Minuten nach Filmstart wird mit der Diegese getrickst. Hae-joon beobachtet die Verdächtige im Geheimen mithilfe eines Fernglases durch ein Fenster. Eine gewisse Anziehung, die er gegenüber Seo-rae spürt, wird schnell bewusst. Während die Kamera den Detektiven in einer Nahaufnahme zeigt, macht der Bildhintergrund einen subtilen Sprung. Der Detektiv steht im Raum der Tatverdächtigen und fängt an, sie von dort aus zu beobachten. Er stellt sich vor, sie wären im selben Raum. Hier setzt Park Chan-wook seinen Haken fest an: Das hier wird keine normale Geschichte.

Trotz des Framings als Detektiv Geschichte mit gewissen Noir-Genre Anleihen wie einer beinahe klassischen Femme fatale steht deutlich weniger das Ermitteln und Lösen eines Falles im Vordergrund als vielmehr die bizarre Liebesgeschichte zwischen Ermittler und zu Ermittelnden. Diese wird regelmäßig mit der Ehe Hae-joons zu Jung-an (Lee Jung-hyun) kontrastiert, die den Großteil des Filmverlaufs so dekadent unwichtig den Hintergrund zeichnet, dass Hae-joons Desinteresse an ihr umso bemerkbarer und trauriger erscheint. 

Hae-Joon ist ein Mann, der für seinen Beruf lebt. Daher ist es keine Überraschung, dass er sich umso mehr zu einer Frau hingezogen fühlt, die persönlich, auf welche Weise auch immer, in seinem destruktiven beruflichen Interesse eine Rolle spielt. Ein destruktives Verhalten, dass auf mehrere Weisen immer wieder angeschnitten wird, ob seine für die Handlung zentrale Insomnie oder der Hang zum Rauchen. Auch wenn Seo-rae auf die eine oder andere Weise dieses Verhalten fördert und an manchen Stellen aktiv dafür sorgen will, diese Tendenz zur Selbstdestruktivität zu bändigen, wird doch klar, dass dies eine wahre Liebe zu sein scheint.

Dabei bietet Decision To Leave sich zum Wiederholten schauen an wie kaum eine andere Liebesgeschichte. Die Inszenierung als dramatischer Crime Thriller arbeitet auf Hochtouren, mit wertiger Bildkomposition und Schnittarbeit sowie bestimmten Details im Skript, die alle zusammen subtil zu einem Gesamtwerk aufbauen, das sich schon ab dem ersten Mal Schauen wertschätzen lässt, das aber mit jedem Mal immer weiter entfaltet und so einen vollkommen bewusst durchstilisierten Film entstehen lässt. Wenn man bei der Recherche auf eine Einstellung aus der Vogelperspektive stößt, die auf eine bodenlos kreative Weise das Verlangen nach Seo-rae stößt, die einem beim Schauen nicht einmal aufgefallen ist, dann hat man auch das Gefühl, dass man jetzt schon alles einmal gesehen haben muss.

Alles beim Alten

Während sich Decision To Leave in seiner Gewaltdarstellung und gewissermaßen auch im Humor im Vergleich zu Park Chan-wooks anderen Filmen, insbesondere der ‚Rache-Trilogie‘, zurückhält, ist doch gerade die romantische Beziehung der zwei Protagonisten ein Merkmal, das sich so durch seine Werke zieht. Ohne die Handlung und Twists seiner anderen Filme vorwegzunehmen: Park Chan-wook scheint ein ehrliches Interesse daran zu besitzen, verbotene, falsche oder bizarre Liebesbeziehungen zu erforschen. Das Ganze findet auf einem Spektrum von einer vermeintlich homosexuellen Beziehung im frühen 20. Jahrhundert (The Handmaiden) bis zu der Art Beziehung, die sich in Oldboy finden lässt, die ich zum einen nicht weiter benennen möchte, um den Twist einen Twist sein zu lassen, und zum anderen selbst einfach nicht weiter darüber nachdenken möchte.

Aber eine Sache ist klar, als großer Fan von der Detektiv-Ästhetik und Detektiv-Geschichten im Allgemeinen ist Decision To Leave nicht nur mein Lieblingsfilm von Park Chan-wook, sondern auch mit Abstand einer der besten Filme des Jahres. Ich kann es kaum erwarten, ihn Anfang nächsten Jahres auf der großen Leinwand zu sehen und dabei noch mehr Details in mich aufzunehmen und so viele Freunde wie möglich mit ins Kino schleppen zu können.

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