(500) Days of Summer – (K)eine Liebesgeschichte

(500) Days of Summer © Searchlight Pictures

Niemand liebt gleich

Liebesfilme sind eine Sache für sich. Es gibt Tausende von ihnen. Jeden Tag kommen Hunderte von ihnen ins Kino oder heutzutage direkt auf einen der vielzähligen Streaming-Services. Sie gibt es in jeder Sprache wie Sand am Meer und sind öfter als nicht auch noch kitschige Komödien. Liebe ist inhärent menschlich. Das Verlieben und geliebt werden wollen gehört zum Alltag, ob einem selbst Schmetterlinge im Bauch herumflattern, ein Freund mal wieder etwas über seine Wochenend-Bekanntschaft zu erzählen hat oder die vielen Dating-App Werbungen auf dem Weg zur Arbeit doch mal etwas auffallend nervig werden.

Verliebt zu sein ist kompliziert, insbesondere wenn man sich in jemandem verloren hat, der einen nicht auf dieselbe Weise zurück liebt. Liebe hat abermals viele Arten von Expression, sie kann sich gegenüber anderen Menschen genauso verschieden äußern wie der Effekt, den sie auf einen selbst hat, auch höchstindividuell sein mag. 

Marc Webbs (500) Days of Summer ist eine 95 Minuten lange, geerdete Erzählung darüber, wie ein Junge ein Mädchen kennenlernt, sich verliebt und natürlich alles, was danach passiert. Es ist aber keine klassische Liebesgeschichte. Der Film beginnt nicht mit einem romantischen ersten Treffen und er endet auch nicht mit dem romantischen Kuss vor einem Silvester-Feuerwerk. 500 Days of Summer ist eine Geschichte über die Überwindung kindlicher Projektionen der Liebe. Das Projizieren eigener romantischer Erwartungen auf eine nicht ganz so erfüllende Realität. Essenziell zu lernen, dass Liebe nicht immer, meistens selten, so aussieht wie in den großen Film-Romanzen oder Liebesliedern unserer Zeit.

Der hoffnungslose Romantiker(?)

Die Romanze zwischen Tom (Joseph Gordon-Levitt) und Summer (Zooey Deschanel) ist so süß wie unbeholfen. Tom verliebt sich, Summer hat Interesse. Ein Abend in der Karaokebar. Tom ist der wohl größte Romantiker den Summer je treffen wird, während Summer selbst nicht an die Liebe glaubt. Die Anziehung ist dennoch da, sie kommen zusammen, aber Summer macht von Anfang an klar, dass es für sie nicht unbedingt etwas Ernstes und Langfristiges sei. Tom, hoffnungsloser Romantiker und schwerstverliebt, möchte dieser Tatsache nicht ins Auge schauen. Für ihn sind sie schon bald verliebt und fest zusammen.

Es folgen die logischen Stationen. Die Honeymoon-Phase, der Reality-Check, die Illusion, dass die Realität doch nicht so aussichtslos wäre wie gedacht, die Phase, in der man permanent schlecht gelaunt alle seine Freunde mit seinen Liebesproblemen belästigt, dann die Depression und natürlich der große Rückfall, – der Versuch, die Liebe doch neu zu entfachen. All die verschiedenen Phasen, die Tom im Laufe der Handlung durchlebt, sind realistisch und für manche Menschen sicher nahbar, aber dennoch selbstdestruktiv. Marc Webb, das Skript von Scott Neustadter und Michael H. Weber sowie Joseph Gordon-Levitt selbst halten sich nicht dabei zurück offenzulegen, dass Tom hier falschliegt. Es ist nicht Summer, die hier eine große Schuld dafür trägt, Tom falsche Hoffnungen gemacht zu haben, es ist Tom, der die Realität von Anfang an nicht wahrnehmen konnte. Tom hat wohl oder übel seine eigenen schlechten Seiten, die ihn überhaupt erst in seine von Liebeskummer getränkte Situation gebracht haben.Das Greifen nach der verbotenen Frucht, es ein letztes Mal zu versuchen und der Gedanke, dass die vergangene Zeit eine Veränderung bewirkt hat. Vielleicht möchte Summer jetzt doch etwas Ernstes.

All die verschiedenen Phasen, die Tom im Laufe der Handlung durchlebt, sind realistisch und für manche Menschen sicher nahbar, aber dennoch selbstdestruktiv. Marc Webb, das Skript von Scott Neustadter und Michael H. Weber sowie Joseph Gordon-Levitt selbst halten sich nicht dabei zurück offenzulegen, dass Tom hier falschliegt. Es ist nicht Summer, die hier eine große Schuld dafür trägt, Tom falsche Hoffnungen gemacht zu haben, es ist Tom, der die Realität von Anfang an nicht wahrnehmen konnte. Tom hat wohl oder übel seine eigenen schlechten Seiten, die ihn überhaupt erst in seine von Liebeskummer getränkte Situation gebracht haben.

Die meisten seiner Probleme sind schließlich genau das. Seine Probleme. Das von Verliebtheit verblendete Ignorieren der schlechten Zeichen innerhalb der Beziehung, das Hoffen nach einem Happy-End, die realitätsfernen Illusionen, die damit einhergehen und auch die Phase, in der man sich wie ein Arschloch verhält, weil einem gerade das Herz gebrochen wurde.

Tom mag kein schlechter Mensch sein, auch wenn er mit seiner lockeren Beziehung zu Summer nicht klarkommt. Tom mag auch kein dummer Mensch sein, obwohl er sich trotz Summers Warnung bezüglich der Langfristigkeit der Beziehung zu sehr von seinen Gefühlen hat blenden lassen. Tom ist ein verliebter Mensch. Auch wenn das seine tiefergehenden Probleme in Hinsicht seiner Idee von Romantik nicht entschuldigt, ist seine romantische Idealisierung doch irgendwo verständlich. Schließlich kann Liebe einen vollkommen die Kontrolle verlieren lassen.

(500) Days of Summer © Searchlight Pictures

Kunstvolle Montagen

Marc Webb sorgt dafür, dass diese Geschichte in nur 95 Minuten funktioniert. Die Charaktere sind dabei allesamt irgendwo liebenswürdig, die handlungstragende Beziehung zwischen Summer und Tom ist glaubwürdig schön und die brisante Erzählung in Tandem mit gelegentlichem Humor behalten den Zuschauer aufmerksam. Der Film an sich mag zwar zu einem großen Teil aus Montagen zu Pop-Songs der 2000er bestehen, aber es funktioniert.

Webb zeigt einen distinktiven Stil, der den Film über sein grobes Potenzial hinaus entwickeln lässt. Von der nostalgischen, wie eine alte Filmprojektion inszenierten Einführung von Summer, Toms Aufzählung ihrer besten Merkmale, „Erwartungen vs. Realität“ und die berüchtigte Musical-Sequenz. Webb verliert sich nicht in sinnlosen und anmaßenden Montagen, sondern lädt sie immer wieder mit verschiedenen kinematographischen Stilmitteln auf, die der Handlung nur noch mehr Persönlichkeit verleihen.

© Searchlight Pictures

Das Bild in zwei zu teilen und parallel die Erwartungen Toms sowie die tatsächliche Realität zu zeigen ist ein fantastischer Weg, dem Zuschauer einen visuell einprägsamen Weg in Toms Kopf und seine Art zu denken zu gewähren.

Die nicht-lineare Struktur der Erzählung trägt viel dazu bei, die verschiedenen Entwicklungen innerhalb der Beziehung zu pointieren und sie mit den Warnzeichen einer fehlschlagenden Beziehung zu kontrastieren, wo Tom selbst sie vor dem Schlussmachen im normalen Tag zu Tag nie selbst bemerkt hat. Zeitlich wird regelmäßig zwischen den frühen und späten Phasen der Beziehung gesprungen, bis sich zum Ende endlich herauskristallisiert, wie die Beziehung zugrunde ging.

Weiterleben

Die 500 Tage von Toms romantischer Obsession bieten eine Vielzahl an erinnerungswürdigen Momenten. Ein Film, der auf jeder Ebene vollkommen überzeugt und einen beinahe vergessen lässt, dass Marc Webb nach seiner Arbeit an diesem Film das Spider-Man Franchise rebootet hat. The Amazing Spider-Man 1 und sind im Allgemeinen keine besonders hoch angesehenen Filme. Mit dem Hintergrund, dass Webb mit 500 Days of Summer eine derart menschliche und charmante Geschichte erzählen konnte, stellt sich allerdings die Frage, was in seiner Franchise-Arbeit verloren ging. Die Grundelemente einer großartigen Spider-Man Geschichte hat er hier schon offengelegt, aber letzten Endes kamen die Filme wohl doch nie so zusammen wie sie sollten.

Leider tat sich bei Webb nicht mehr viel. Nach dem Fehlschlag mit seinen Spider-Man Filmen versuchte er sich wieder an kleineren Geschichten. Zum einen Gifted (2017), ein solides, herzerwärmendes Drama über einen alleinerziehenden Vater und im selben Jahr The Only Living Boy in New York, ein kritischer Fehlschlag, der abermals eine subversive Sicht auf die Romantik behält.

Als Nächstes scheint das Live-Action-Remake von Disneys Schneewittchen auf seiner Agenda zu stehen. Wieder ein großer Film für ein großes Studio mit einem großen Budget. Ähnlich wie Tom nie seine Hoffnung auf ein Happy-End mit Summer aufgeben wollte, gebe auch ich meine Hoffnung auf ein Happy-End für Marc Webb niemals auf. Falls Schneewittchen nichts wird, wird es sicher der Film danach, und falls nicht der dann einfach der Nächste.

Dieser Post basiert auf einer alten Letterboxd-Review zum Film.

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