Mit der Switch, Switch Lite und Switch OLED hat Nintendo die letzten acht Jahre den Konsolenmarkt dominiert und eine vollkommen neue Ära für den Konsolenhersteller und Videospielentwickler eingeläutet. Bald wird die Switch mit höchster Wahrscheinlichkeit zur erfolgreichsten Spielekonsole aller Zeiten – doch es ist endlich Zeit, sich neuen Horizonten zu widmen. In etwa einem Monat erscheint nämlich die Nintendo Switch 2. Die Konsole selbst bleibt dem Konzept ihres Vorgängers vollkommen treu, wirklich ändern tut sich nicht viel. Das Konzept der Switch ist seit acht Jahren nichts Neues mehr. Also kann Nintendo mit der Switch 2 überhaupt noch überraschen?
Die Antwort ist jein. Ich hatte die Chance, die ambitioniert betitelte „Nintendo Switch 2 Experience“ in Berlin zu besuchen, auf der man die Chance besaß, direkt Hand an die Switch 2 zu legen. Diese „Experience“ belief sich auf eine einfache Halle umgeben von verschiedenen Anspielstationen und Menschenmengen, die in der Schlange standen, um Mario Kart World, Donkey Kong Bananza oder einen der anderen neuen Titel zu spielen. Zu „erfahren“ gab es hier in erster Linie die Spiele, und dahingehend gab es auch einen ersten Kontakt mit der neuen Konsole selbst. Besucher hatten in etwa vier Stunden Zeit mit der Switch 2 und ihren Spielen – und zumindest in meinem Fall hält sich der Enthusiasmus durch diese Erfahrung eher in Grenzen.
Das Wichtigste zur Switch 2 hat Nintendo bereits im Januar in einem kurzen Video zusammengefasst. Sie hat einen größeren Bildschirm, ist in ihrem Durchmesser insgesamt größer, hat magnetische Controller und ist im Großen und Ganzen einfach eine bessere Switch. Diese Tatsachen haben sich auch auf dem Event schnell herauskristallisiert. Der neue Bildschirm ist schick, die magnetischen Joy-Con beeindruckend und das Gehäuse der Switch 2 ungewohnt hochwertig. Der neue Pro-Controller (natürlich separat zum Kauf erhältlich) hat zwei extra Knöpfe, eine leicht andere Farbgebung und einen Kopfhöreranschluss. Außerdem lassen sich die Joy-Con der Switch 2 jetzt wie eine Computermaus verwenden. Die wohl interessanteste Neuerung in diesem Paket ist eben genau diese Mausfunktion. Aber diese ist vorerst gar nicht mal so wichtig, denn die zwei größten Spiele des Events kommen vollkommen ohne die neue Maussteuerung aus.
Die Highlights
Mario Kart World und Donkey Kong Bananza sind die ersten zwei wirklich großen Prestige-Titel für das Launch-Fenster der Konsole. Und beim Ausprobieren merkt man schnell: Die machen wirklich Spaß. Im Kontext des Events ist Mario Kart World zwar auf den ersten Blick „einfach“ ein neuer Teil der Reihe, aber spätestens als uns Besuchenden wortwörtlich die Pforten zum neuen Spielmodus eröffnet wurden, wurde klar, dass unter der Haube doch einiges anders ist. Zum ersten Mal entfernt sich Mario Kart von seinem einfachen Streckenkampf und Grand Prix-Prinzip und versucht stattdessen, die gesamte Rennerfahrung organisch in eine große Welt einzubauen. Und der neue „Knockout-Modus“ nutzt die Open World des Spiels vollkommen aus. Spielende werden quer über die Spielwelt gejagt und fahren dabei eine einzige lange Strecke ab. Um dabei permanent Feuer unterm Hintern zu machen, gilt es im Verlauf verschiedener Streckenabschnitte eine Mindestplatzierung im Rennen zu erreichen. Du bist nicht schnell genug? Dann bist du wohl raus. Wer chaotische Rennen aus den vorherigen Mario Karts gewohnt ist, lernt hier eine vollkommen neue (Spiel-)Welt kennen. Mit nun 24 Fahrern auf der Strecke statt den üblichen 12 ist das Rennen um die vorderen Plätze ein reines Wildfeuer an Items und waghalsigen Überholmanövern. Es war noch nie so einfach, in den Zweikämpfen seiner Mitfahrenden involviert zu werden – und dabei, um alles oder nichts auf das Siegerpodest zu preschen. Hier kommt richtig zum Vorschein, dass Mario Kart World gegenüber seinen Vorgängern eine noch intensivere Spielerfahrung zu bieten hat. Doch wie viel Spaß man dabei über längere Zeit haben wird, lässt sich schwer erkennen.
Eine wirklich fundierte Meinung zu Mario Kart World konnte ich mir in der kurzen Anspielsession nämlich nicht bilden. Neue Items! Neue Strecken! Neue Charaktere! Neues Handling! Es kam so viel auf einmal auf einen zu, dass die höchstens fünf Minuten langen Sessions nicht genug Zeit am Stück mit dem Spiel bieten, um sich wirklich daran zu gewöhnen. Schließlich war der Grand Prix-Modus auf die erste Phase des Events beschränkt, wo man die Chance hatte, zwei kurze Rennen auszuprobieren. Den Knockout-Modus wiederum konnte man so oft ausprobieren, wie man wollte – vorausgesetzt, man fühlte sich bereit dazu, immer und immer wieder in der unendlich scheinenden Schlange zum Anspielen zu stehen. Also, macht Mario Kart World Spaß? Sicher, es ist ja schließlich Mario Kart. Aber warum macht es eigentlich Spaß? Und für wie lange wird man damit Spaß haben? Das sind Fragen, die nach so kurzer Zeit mit dem Spiel ziemlich unmöglich zu beantworten sind.
Anders war es allerdings bei Donkey Kong. Nach persönlichen Zweifeln an dem ersten Trailer war die persönliche Anspielsession eine riesige Überraschung. Mit Donkey Kong durch die Gegend zu rennen und alles zu zerschmettern, bis nichts mehr steht, macht nicht nur Spaß – es begeistert. Denn in den wenigen Minuten, die ich mit dem Spiel hatte, wurde bereits klar, dass Donkey Kongs Move-Set genug Tiefe bietet, um waghalsiges Jump & Run Gameplay zu versprechen, das man so aus den 3D-Mario-Titeln kennt. Das Sammeln von Collectibles durch das Durchschmettern von Wänden, Herausreißen von Fassaden, Bekämpfen von Gegnern, Rollen, Springen, Surfen und so weiter und so fort geschieht in Bananza in einer Geschwindigkeit, von der Super Mario Odyssey nur träumen könnte. Man hatte mit Donkey Kong zehn bis 15 Minuten Zeit, in denen man tun und lassen konnte, was man wollte. Mit so viel (aber doch so wenig) Zeit am Stück konnte Donkey Kong meine anfänglichen Zweifel in Luft auflösen. Bananza war das klare Highlight des Events.

Der Rest von Nintendo
Als Nächstes lässt sich über Titel wie Metroid Prime 4, Mario Party Jamboree + Jamboree TV reden – aber so viel lässt sich dann doch gar nicht sagen. Die Maus-Modi in Metroid Prime 4 und Mario Party funktionieren erstaunlich gut. Aber eine überzeugende Steuerungsmethode war der „Mouse-Con“ nicht unbedingt. Wenige Minuten Metroid haben bereits gezeigt, dass das simultane Bedienen der „Maus“ mit ihren Mauszeigern, aka dem R und ZR-Knopf, und das Drücken der A/B/X/Y-Knöpfe schnell zu einem wortwörtlichen Krampf werden. In Mario Party, wo das Gameplay weniger bis gar keine Knopfdrücke fordert, eignet sich ein Mouse-Con wiederum ziemlich gut. Wirklich überzeugt vom langfristigen Nutzen der Mausfunktion bin ich aktuell nicht, aber mehr Optionen zu haben schadet nie. Ansonsten ist Metroid Prime einfach Metroid Prime – im Vergleich zu „Remastered“ auf der Switch 1 scheint ein noch größerer Wert auf eine aufwendige Inszenierung gelegt zu sein, aber im Kern spielt man einfach eine Fortsetzung eines Spiels, das man schon gut kennt. Auch Mario Party bleibt Mario Party – die neuen Minispiele machen Spaß und sind eine angenehme Abwechslung zu den gewohnten Spielen, aber die Anzahl an Spielen scheint begrenzt zu sein.
Wenn man auf die verschiedenen Optionen der Switch 2 zurückkommt, lässt sich über den Kamera-Support der Switch 2 sprechen. In der Werbung übermäßig repräsentiert und extra als Zubehör zum Kauf erhältlich, macht Nintendo ein großes Ding aus der Kamera. In der Werbung, insbesondere im Rahmen der Voice-Chat-Features der Switch 2. Auf der Experience ließ sich die Kamera allerdings nur im Kontext von Mario Party erfahren. Der Spielmodus „Bowsers-Bühne“ fordert, zumindest auf dem Event, vier Spieler dazu auf, in zweier Teams gegeneinander aufzutreten, während die Kamera einzelne Spieler vor der Konsole aufnimmt und dann in das Spiel überträgt. Im Zuge verschiedener Minispiele, die von einem Fordern, mit dem ganzen Körper am Spiel teilzunehmen, müssen Punkte gesammelt und so der Sieg über das gegnerische Team errungen werden. In einem der Minispiele wird einem automatisch eine Plattform auf seinem Kopf platziert, wobei immer mehr Gumbas auf diese Plattform fallen – die man mit Kopfbewegungen auffangen und daraufhin weiter auf dem Kopf balancieren muss. In einem der anderen Minispiele wird ein klassischer Fragezeichen-Block über dem Kopf eines jeden Mitspielers angezeigt, woraufhin man so oft wie möglich gegen diesen Block springen muss, um möglichst viele Münzen aus diesem zu gewinnen. Was haben diese zwei Spiele gemeinsam? Sie funktionieren einfach nicht. Die automatisch generierte Plattform beim Gumbas Balancieren wird stellenweise so platziert, dass man seinen Kopf schräg halten muss. Die Latenz der Kameraaufnahme und der realen Bewegung ist so hoch, dass Bewegungen nicht schnell auf dem Bildschirm abgebildet werden. Und sobald man sich zu sehr bewegt, kann die Kamera die Bewegung des Kopfs nicht mehr „aufnehmen“, wodurch das ganze Spiel ohnehin seinen Sinn verliert. Ähnliches beim Sammeln der Münzen. Bei mehreren der Spielenden kam es vor, dass das Spiel die Schläge gegen die Blöcke einfach nicht erkennen konnte. So konnte man herumhampeln und sich bewegen, wie man wollte, aber wenn das Spiel keinen Treffer registriert, dann ist alles vergebens und es wurde sich umsonst zum Affen gemacht.
Am Hafen der Ports
Zuletzt blieben auf der Experience also noch die Ports. Ob Ports von Third Party Entwicklern wie Cyberpunk 2077 und Yakuza 0 oder verbesserte Versionen von Switch 1 Titeln wie Kirby und das Vergessene Land und The Legend of Zelda: Breath of the Wild. Auf ersten Blick ist es durchaus beeindruckend, Spiele wie Cyberpunk 2077, Hogwarts Legacy oder Split Fiction auf der Switch 2 laufen zu sehen. Doch neben der Tatsache, dass all diese Spiele stellenweise seit Jahren auf anderen Plattformen zu spielen sind, ist auch offensichtlich geworden, dass Hogwarts und Cyberpunk noch einiges an Optimierung benötigen, bevor man von einer wirklich gelungenen portablen Version dieser Spiele reden kann. Nach eigener Erfahrung ist die Bildrate in Hogwarts Legacy schlicht und ergreifend unakzeptabel. Es ruckelt alle paar Sekunden, auch ohne, dass wirklich viel auf dem Bildschirm los ist. Beeindruckend mag es zwar sein, dass diese Spiele nun in so einer visuellen Qualität, wenn doch auch mit geringer Auflösung, auf einer portablen Konsole spielbar sind, aber dann bitte so optimiert, dass Ruckeln zur Seltenheit wird und man die Nintendo Switch 2-Versionen dieser Spiele aktiv weiterempfehlen kann.
Die Nintendo entwickelten Ports hingegen waren Augen öffnend. Anstatt, dass man wie bei den bereits genannten Titeln, Cyberpunk etc. von tendenziell schlechteren Versionen eines jeweiligen Spiels sprechen muss, hat man hier Versionen, die, logischerweise, kräftig einen auf die Switch 1 Versionen darauf setzen. Breath of the Wild im Handheld-Modus der Switch 2 in 1080p und 60 FPS auf einem wirklich beeindruckenden Bildschirm zu sehen, ist atemberaubend, wenn man die verwaschene und hakende Präsentation des Spiels auf der Switch 1 gewohnt ist. Hier bitte mehr davon. Nintendo hat bereits angekündigt, dass viele weitere Spiele von Switch 2 Upgrades profitieren werden – doch in welchem Ausmaß, ist noch unbekannt. Man kann nur hoffen, dass Titel wie Animal Crossing oder Xenoblade Chronicles (kostenfrei) geupdated werden und mit höherer Bildrate und/oder Auflösung laufen werden.

Die Zukunft macht’s
Ich habe kein Geheimnis daraus gemacht, dass sich mein Enthusiasmus gegenüber der Switch 2 nach dem Event ziemlich in Grenzen hält. Was ich gesehen habe, hat mir zwar gefallen – insbesondere, wenn es um Nintendo-exklusive Spiele geht. Aber die Tatsache ist, wir reden bei der Switch 2 schlichtweg von einem einfachen Upgrade. Es gab nichts wirklich Neues oder Unerwartetes, weder bei der Konsole selbst noch bei einem Großteil der Spiele. Die Konsole performt besser, ist größer, sieht wertiger aus und scheint alles in allem einfach besser zu funktionieren, ja. Aber wo ist das schlagkräftige Kaufargument? Das ist natürlich äußerst subjektiv. Ja, Donkey Kong Bananza war ein klares Highlight. Auch Mario Kart World wird voraussichtlich ein fantastisches Spiel. Bei diesen zwei Titeln liegt nun einmal auch der Reiz der neuen Konsole. Aber muss man diese Spiele sofort gespielt haben? Mario Kart World wird über die Jahre voraussichtlich nur wachsen und ist zum jetzigen Zeitpunkt mit 90€ für die physische Version ohnehin schon viel zu teuer. Warten würde sich da voraussichtlich lohnen. Donkey Kong hingegen überzeugt mittlerweile sogar mich. Aber genug, um die Nintendo Switch 2 direkt zum Release zu besitzen, oder Casual-Fans zu empfehlen? Wer weiß.
Die Switch 2 zeigt sich als eine vielversprechende Konsole, die ihre Identität und wirkliches Potenzial voraussichtlich erst über die nächsten Monate und Jahre entfalten wird. Nintendo steckt seit 2012 in etwa auf demselben Performance-Level ihrer Hardware fest – was werden sie mit moderner(er) Hardware bloß alles anstellen können? Welche einzigartigen Erfahrungen werden sie uns bieten können? Mario Kart World mit der neuen Open World und Bananza mit der komplett zerstörbaren Umgebung sind erste Einblicke in diese neue Ära von Nintendo-Spielen. Aber wirklich spannend wird es erst, wenn wir auch bei Zelda, Splatoon, Animal Crossing und mehr herausfinden, womit Nintendo uns dieses Mal verzaubern will. Also ja, die Switch 2 scheint eine vielversprechende Konsole zu werden und bietet bereits zum Launch ein paar Titel, bei denen Spielspaß garantiert ist. Aber ich möchte mehr wissen. Ich hoffe, es wird nicht mehr lange dauern, bis ich erfahren werde, in welche Richtung Nintendo sich mit der Switch 2 von nun an bewegen wird.