Review – Glass Onion: A Knives Out Mystery (Rian Johnson, 2022)

GLASS ONION: A KNIVES OUT MYSTERY (2022) Daniel Craig as Detective Benoit Blanc. Cr: John Wilson / Netflix © 2022

Von Franchise zu Franchise

Nach dem stark polarisierenden Star Wars: Die Letzten Jedi (2017) hat sich Rian Johnson an sein ganz eigenes Werk gesetzt: Knives Out (2019). Als einer der größten Nicht-Franchise Erfolge unserer Zeit war Knives Out direkt eine große Zukunft hervorgesagt. Gleich zwei Sequels sollte es geben und Netflix war so sehr am Film interessiert, dass sie sich die Rechte für die Veröffentlichung der Nachfolger schnappen mussten. So wurde auch Knives Out, der Detektivfilm rund um Benoit Blanc (Daniel Craig) schnell zum Franchise, und Johnson ist erfolgreich von der Arbeit an einem Franchise von Fremden zu der Arbeit an seinem eigenen Baby graduiert.

Drei Jahre später veröffentlicht Netflix in Zusammenarbeit mit Lionsgate Glass Onion: A Knives Out Mystery (2022) nach einer kurzen, zwei Wochen langen Kinolaufzeit (in auch nur den exklusivsten der ausgewählten Kinos) auf Netflix. Eine Geschichte rund um Mord und Totschlag perfekt einen Tag vor Heiligabend, sodass gleich die ganze Familie auf der Couch über Benoit Blancs absurden Akzent und seine absurderen Outfits lachen kann.

Glass Onion: A Knives Out Mystery (2022). Daniel Craig as Detective Benoit Blanc. Cr. John Wilson/Netflix © 2022.

A Knives Out Mystery

Dabei macht Glass Onion keine große Scheu um seine Produktionsbedingungen. Covid-19 existierte nicht nur auf dem Filmset, sondern wird auch im Film abgefrühstückt und so wie von uns anschließend vergessen. In Zeiten der Pandemie lädt Miles Bron (Edward Norton) seine ganze Reihe an Freunden zu ihm auf seine private Insel ein. Abgeschottet vom Rest der Welt und so tun, als wäre alles normal, klingt wie ein großer Traum, die Illusion von Normalität. Benoit Blanc, frustriert vom Nichts-Tun und seine ungewöhnliche Ulkigkeit aus dem Vorgänger fortsetzend, wird aus der Lockdown-Depression gerettet: Der geplante Insel-Trip beinhaltet nebenbei noch ein Mörder-Mysterium um seinen gespielten Mord. Wer eignet sich mehr für solch ein Spiel als der angeblich beste Detektiv seiner Zeit?

So landet Benoit Blanc auf der privaten Insel, zusammen mit Politikerin Claire Debella (Kathryn Hahn), toxisch maskulinen Influenzer Duke Cody (Dave Bautista), Wissenschaftler Lionel Touissant (Leslie Odom Jr.), Designerin Birdie Jay (Kate Hudson), Mitbegründerin von Brons Firma Cassandra Brand (Janelle Monaé) und diversen anderen unwichtigeren Besuchern. Wie auch schon in Knives Out versammelt Rian Johnson ein riesiges Ensemble, die allesamt beinahe cartoonartige Karikaturen uns bekannter Menschen verkörpern und auch in ihrer Lächerlichkeit entlarven.

Glass Onion: A Knives Out Mystery (2022). (L-R) Edward Norton as Miles, Leslie Odom Jr. as Lionel, Kate Hudson as Birdie, Kathryn Hahn as Claire, and Madelyn Cline as Whiskey. Cr. John Wilson/Netflix © 2022.

Jeder Dialog zwischen diesen überspitzt chaotischen Menschen ist ein Witz, ein Bezug auf einen echten Menschen oder eine News-Headline, die man nebenbei mal aufgeschnappt hat. Eine Referenz auf den berühmten Komponisten Philip Glass, die wiederholten Bezüge auf Pop-Musik oder die lächerliche Naivität der Charaktere, die aber so auf der Realität gründet, dass man frustriert und belustigt zugleich ist. Das ganze Ensemble gibt sein Bestes und gibt passend zum Skript überspitzte Schauspielleistung von sich, wobei auch niemand als besonders mitreißend oder eben authentisch auffällt. Letzten Endes bleiben die Figuren Karikaturen, selbst die, die nicht so wirken, als wären sie als eine solche angedacht. 

Stark im Vordergrund, nicht ganz unähnlich zum Vorgänger, steht eine offensichtliche Kritik. Die ironische Auseinandersetzung, das Finger-Drauf-Zeigen auf die reiche Oberschicht. Eine Kritik, die sich in ähnlicher Form alleine in den letzten Monaten in Triangle of Sadness (2022) oder The Menu (2022) auch schon finden lässt und je nach persönlicher Auseinandersetzung mit dem Thema auch schon ins Territorium zu offensichtlicher Parodie fällt. Miles Bron ist Elon Musk, Dave Bautista ist irgendwo auf dem Weg zu Andrew Tate. Aber auch da will sich Johnson eben diesen Erwartungen widersetzen. Ein paar oberflächlich wirkende Charaktere werden hier und da gerade mal ausreichend beleuchtet, dass sie sich aus diesem Muster rauslehnen, aber nicht ganz rausfallen können.

Glass Onion: A Knives Out Mystery (2022). Edward Norton as Miles. Cr. John Wilson/Netflix © 2022.

Johnsons Ding ist es eben seine Geschichten unerwartete Wendungen aufzubürden, auch wenn der große Twist zum Ende genauso offensichtlich ist, wie Benoit Blanc es zu seiner eigenen Frustration noch zugibt. Glass Onion überrascht weniger als sein Vorgänger, aber spielt gerade so mit den Erwartungen, dass zur Mitte des Films nötiges an Spannung und tatsächlichem Interesse entsteht. Johnson lässt sich viel Zeit, bis er anfängt, das eigentliche Mysterium anzudeuten, baut Szenen wie Spielsteine auf, um sich am Ende die Zeit zu nehmen, für jeden dieser Steine eine Rechtfertigung zu inszenieren. Auch wenn der Weg zum Abfall des Spannungsbogens zu lang wirken kann, muss einem bewusst sein, wie intrigant und gut durchdacht, das Drehbuch eigentlich ist. Wie viel Arbeit, Zeit und möglicherweise Talent es braucht, um einen solchen Film zu konzeptualisieren und schlussendlich zu konstruieren. Glass Onion ist vollkommen schlüssig, aber eben aufgrund des sehr durchdachten Drehbuchs auch nicht sehr kompliziert. Es steht mehr die Reise in Form von einzelnen Dialogen und schrägen Schnittfolgen und Kameraentscheidungen im Vordergrund.

Die Kamera bewegt sich oft, fährt an Gesichter oder Gegenstände heran und der Schnitt kämpft damit, die Gesichter der vielen Schauspieler zu zeigen, aber versucht hier und da auch auf seine eigene Weise herauszustechen. Es ist klar, dass Johnson viel Zeit und Mühe in die visuelle Inszenierung seiner Filme steckt, auch unabhängig von dem, was Kinematograph und Cutter mit verantworten. Das Produktionsdesign von Glass Onion, inklusive der tatsächlich Riesigen im Film vorhandenen Glass Onion ist mitunter das beeindruckendste, was der Film visuell zu bieten hat. Ganze Persönlichkeiten lassen sich an den Sets ohne Problem ablesen und die Sets inkorporieren Gags sowohl im Hinter- als auch Vordergrund, als wäre es die leichteste Aufgabe überhaupt.

GLASS ONION: A KNIVES OUT MYSTERY (2022) Edward Norton as Miles and Daniel Craig as Detective Benoit Blanc. Cr: Courtesy NETFLIX

Written & Directed By Rian Johnson

Rian Johnson beweist auch mit Glass Onion wieder einmal, dass er einer der besonderen Filmemacher unserer Zeit ist. Es steckt wenig emotionale Intensität, noch weniger Ernst im Vordergrund. Im Vordergrund steht Spaß und Authentizität. Wenn man einen Rian Johnson Film guckt, weiß man, dass man auch einen Rian Johnson Film bekommt. Mit all seinen Stärken und all seinen Schwächen. Man merkt Johnson wie in seinen vorherigen Filmen eine Liebe zum Medium an. Eine Liebe zur Kamera, dem Schreiben, der Musik und dem Schauspiel. Eine Liebe, die sich eben dadurch äußert, dass Glass Onion ein sehr persönlicher Film, aber gleichzeitig ein Film für jedermann ist.

Geschrieben von Rian Johnson und Regie von Rian Johnson. Auch wenn Glass Onion einen nicht komplett von seiner Einzigartigkeit überzeugen kann, ist es schwer, nicht die Passion und Freude zu erkennen, die in jeder Facette des Films zu stecken scheint. Johnson gehört zu den großen Filmemachern unserer Zeit und jeder Sieg für ihn ist ein Sieg für den Film an sich. Ich freue mich auf das nächste Knives Out Mysterium und hoffe, dass Johnson bis ans Ende seiner Zeit die Filme schaffen kann, die er sich zu Machen wünscht.

Cr: Courtesy NETFLIX
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