Die perfekte Mischung?
Im Jahre 2019 während der E3 Pressekonferenz von Ubisoft war ich sofort an der dort angekündigten Serie: „Mythic Quest: Raven’s Banquet“ interessiert. Vorgestellt wurde die ganze AppleTV+ exklusive Show von Rob McElhenney, bekannt als einer der Hauptdarsteller aus „Always Sunny in Philadelphia“. Darüber hinaus war im Trailer auch noch Danny Pudi zu sehen, der mit der Kultserie „Community“ für immer einen Platz in meinem Herzen gefunden hat. Von Always Sunny habe ich ewig nur Lobpreisungen gehört und Community bewährt sich mit jedem meiner Rewatches wieder als eine fantastische Sitcom. Das Zusammenkommen meiner Interessen und der vielversprechende Cast haben mein Interesse geweckt.
Was ich von nun an nur noch als „Mythic Quest“ bezeichnen werde, da der Untertitel „Raven’s Banquet“ nicht viel mehr zu dem Titel beiträgt, ist eine Sitcom über ein Videospielstudio, das eines der populärsten MMO-RPGs seiner fiktiven Welt entwickelt und dabei natürlich auch seine Entwickler und dem Rest des Studios. Creative Director, Lead Engineer, Writer, Game Tester, Head of Monetization und Executive Producer sind alle mit dabei und bilden zusammen mit dem titelgebenden Spiel das Herz der Serie.
Herausreißende Unauthentizät
Nach typischer Sitcom Manier gibt jede Folge möglichst jedem Charakter etwas zu tun. Hier wird am Spiel gearbeitet, da wird geflirtet und dort drüben wird Sozialkritik ausgeübt. Die Arbeit am Spiel selbst ist dabei nicht so interessant, wie sie sein könnte. Das liegt nicht nur daran, dass das Spiel nur als Aufhänger für komische Situationen verwendet wird, sondern auch, dass man als Zuschauer nicht genau weiß, was für ein Spiel „Mythic Quest“ eigentlich ist. Fast jede Szene, in der das Spiel gezeigt wird, unterscheidet sich von einer vorherigen. In einer Szene wird Ingame Footage aus Ubisofts „For Honor“ gezeigt, in einer anderen sind es willkürlich zusammengewürfelte Assets und in wiederum einer anderen sind es wiederzusammengewürfelte Assets, aber dieses Mal welche, die sich visuell komplett von den davor gezeigten abheben. Das Spiel bekommt so kaum einen einheitlichen visuellen Stil, wo man sich gerne fragen mag, ob die Macher der Show sich überhaupt dafür interessieren, was sie einem als Spiel verkaufen. Ob sie überhaupt wissen, dass das, was sie uns zeigen, gar keinen Sinn ergibt.
Ein ähnliches Problem gibt es mit den Charakteren. Kaum einer der Figuren nehme ich ab, dass sie auch nur die leiseste Ahnung davon hat, wovon sie redet, wenn es einmal wirklich um Videospiele geht. Bei manchen der Charaktere wird auch noch nicht ganz klar, was genau sie im Büro eigentlich den ganzen Tag machen. Das Ganze wirkt so unnatürlich, dass man noch einmal mehr aus dem Geschehen herausrausgezogen wird. Der absolute Kern der Serie, das Videospielstudio, fühlt sich so einfach nicht wirklich an. Selbst die Namenlosen im Hintergrund, die man meistens nur auf ihre Computer starren sieht, wirken aufgrund des Set Designs nicht wie ein klassisches Entwicklerstudio. Im echten Leben kann so ein Studio zwar mal aussehen wie ein sympathisches Büro eines Start Ups, aber wenn einem verkauft werden soll, dass es sich bei Mythic Quest um eines der größten Videospiele überhaupt handelt, dann wirkt das ganze gleich viel weniger überzeugend. Klar ist von einer Sitcom nicht zu erwarten, dass sie eine realistische Darstellung eines Videospielstudios aufzeigt, aber wenn das Ganze schon während vom einem Videospiel Publisher auf einer seiner Pressekonferenzen angekündigt wird… kann man etwas mehr erwarten.
Aber die Konzepte sitzen…
Vorerst genug gemeckert. Ein paar Dinge macht „Mythic Quest“ aber durchaus richtig. Zum Beispiel werden immer mal wieder Probleme aufgegriffen, die in der echten Videospielindustrie wirklich so zu finden sind. Eine Folge behandelt das Problem von „white supremacists“ innerhalb von Mythic Quest und eine andere wirft ein Licht auf die fehlende Rolle von Frauen in der Videospielentwicklung. Selbst das Konzept von ausbeutenden Mikrotransaktionen, also verlockenden Ingame-Käufen, die noch mehr Gewinn generieren sollen, wird hier und da mal kritisiert. In dem Sinne fühlt es sich wirklich so an, als hätte die Show ein Verständnis davon, was sich in der Videospielindustrie zuträgt.
Leider fallen die meisten Umsetzungen dieser Thematiken flach. Die Nazis werden im Spiel einfach von der Gruppe der normalen Spieler getrennt, nichts wird konkret gegen sie unternommen, Frauen bleiben innerhalb des Studios unterrepräsentiert, nichts wird dagegen unternommen. In der Folge, in der sich die Entwickler zu einer Gewerkschaft zusammenschließen, um sich für bezahlte Überstunden zu engagieren versucht noch nicht einmal richtig daraus ein Problem zu machen. In einem Moment wird der Wunsch der Arbeiter geäußert, in der Szene darauf wird der Wunsch vermeintlich erfüllt, aber nein, es passiert etwas anderes, was von dem Gewerkschaftssubplot so ablenkt, dass dieser gar nicht wieder zu Tragen kommt.
Immer mal wieder wird man dennoch unerwartet von einer lustigen Situation überrascht. Am lustigsten ist die Serie, wenn sie übertreibt, wenn sie so übertreibt, dass der Witz offensichtlicher nicht sein könnte. Lustig ist es, wenn über Nazis im Spiel geredet wird und dann gezeigt wird, wie die Spieler riesige Hakenkreuze ingame hinterlassen. Es ist so plump, dass es zum Lachen bringt.
Die Serie sieht auch ganz hübsch aus. Die Beleuchtung lässt das Ganze von anderen Sitcoms abheben. Es sieht auf jeden Fall nicht nach einer typischen TV-Sitcom aus. Auch die Charaktere, wenn definitiv nicht perfekt, können immer mal wieder ganz charmant sein.
Charakterlos – Aber mit Charakter
Rob McElhenney’s „Ian Grimm“, der Creative Director des Spiels, ist ein typischer Narzisst mit typischen toxisch-maskulinen Komplexen. Danny Pudi’s „Brad Bakshi“ der meistens kaltherzige, geldhungrige Mann im Anzug und Charlotte Nicado’s „Poppy Li“ ist die fähige, vermeintlich bodenständige, aber im Kern doch sehr verrückte leitende Entwicklerin von Mythic Quest. Die meisten Charakter Arche Typen hat man schon irgendwo gesehen und vermutlich genau deshalb funktionieren sie alle. Sie sind in Ordnung. Hier und da mal lustig, nicht besonders bezaubernd, aber auch nicht zu langweilig. Unoriginell ist nicht gleich charakterlos.
Mir fehlt in der Truppe an Charakteren noch etwas an Dynamiken. Mehr glaubwürdige Freundschaften, herzerwärmende Momente, die zeigen, dass die Gruppe doch gar nicht so schlimm ist wie sie scheint, mehr Einblicke in das Privatleben und die privaten Probleme der Charaktere. Wenn ich das so aufzähle, sehe ich eine Art Community 2.0 vor meinen Augen, aber auch so ist Community nicht die einzige Sitcom, die diese Qualitäten vorweisen kann. Das sind definitiv Sachen, auf denen Staffel 2 aufbauen könnte, vor allem da das „Quarantäne“ Special dieser Staffel schon Anzeichen von Entwicklungen in diese Richtungen gezeigt und mich unerwartet emotional gestimmt hat.
Ein paar der Figuren leiden unter der Plumpheit ihrer Charakterzüge, andere wiederum profitieren nur von dieser. Elisha Hening’s „Pootie Shoe“ zeigt das am besten. Als Satire von modernen Influencern aus der Videospielbranche ist der 14-jährige Pootie Shoe den Entwicklern von Mythic Quest immer wieder ein Dorn ins Auge. Auf seine Meinung zählen die Konsumenten und so hat er immer eine gewisse Macht über das Spiel selbst. In einem Moment sind seine Parodien von diversen populären Streamern mal lustig, in anderen wird der Witz, dass ein 14-Jähriger keine derartige Macht über die Videospielindustrie haben sollte, doch zu weit getrieben. Zum einen liegt es daran, dass es in der realen Welt kein derart junges Äquivalent zu Pootie Shoegibt, zum anderen ist das dritte Mal live während des Streams nach seiner Mutter Schreien auch nicht mehr lustig.
„Jo“, gespielt von Jessie Ennis, ist letzten Endes auch nur ein plumper Charakter, der nichts zur Gruppendynamik beiträgt, außer mit ihrer toxisch konservativen Art zu irritieren. Als Assistentin wird sie immer wieder in das Geschehen der Folgen involviert, aber ihre exzentrische Art sorgt immer wieder für unnötige Komplikationen. Wie in der Show selbst schon gesagt wird: Sie sollte gefeuert werden.
Eine dunkle, leise Entfaltung des Potenzials
Irgendwo in dieser Serie ist allerdings Gold vergraben. Und dieses Gold leuchtet in einer der Folgen stark. Folge 5. Eine stand alone Folge, die bis auf ein paar kleine Überschneidungen nichts mit der eigentlichen Sitcom zu tun hat. Diese Folge, „Dark Quiet Death“, positioniert sich viel mehr als Drama anstatt als eine Komödie. Sie handelt von dem Kennenlernen eines Paares, das zusammen in die Videospielindustrie einsteigt, ihre Erfolge und den Kampf zwischen künstlerischer Expression und dem Ansprechen des Massenmarktes. Dabei liefert die Episode nicht nur Kritik an Unternehmen und ihren vom Kapitalismus beeinflussten, seelenlosen und kommerzorientierten Ausrichtungen, sondern erzählt eben auch die Geschichte dieses Paares, die selbst mit der Welt der Videospielentwicklung zu kämpfen hat. Jake Johnson und Cristin Milloti sind wundervoll zuzusehen, ihre Chemie verzaubert und sorgt letzten Endes für nicht nur die beste Folge der Serie, sondern unabhängig davon eine fantastische Folge Fernsehen.
Daraus nehme ich mit, dass die Stärken von Mythic Quest gar nicht unbedingt in den Comedy-Aspekten, sondern in der Dramatik liegt. Die Witze landen gelegentlich, aber das Drama, insofern es nicht nur als Punch Line für einen Witz instrumentalisiert wird, funktioniert.
Aller Anfang ist schwer
Erste Staffeln haben es oft schwer. Oft muss erst sich eine Serie suchen und finden, der Cast muss seine Charaktere verstehen und eine Chemie muss zwischen ihnen entstehen. Man findet heraus, was funktioniert und was nicht, welche Charaktere beliebt sind und welche man ruhig mal weglassen kann. Vor allem, wenn wie bei Mythic Quest alle Folgen gleichzeitig auf einem Streaming Service erscheinen, ist es nicht so einfach, den Zuschauer perfekt anzusprechen. Trotzdem hat die Serie genug Anklang gefunden, um eine weitere Staffel bereits in Auftrag gegeben zu haben. Das Potenzial ist da. Ich bin zuversichtlich, dass Mythic Quest es schaffen wird. Schaffen wird besser zu sein. Es braucht nur noch etwas mehr Zeit und Aufmerksamkeit, dann ist es so weit.