Das Ende eines Jahres
Jahreslisten sind eine schöne Sache. Sich in Erinnerung zu rufen, was sein Jahr ausgemacht hat. Was passiert ist. Was nicht passiert ist.
Man erinnert sich an viele schöne Sachen, wahrscheinlich an noch mehr nicht ganz so schöne Sachen. Ich liege hier in meinem Bett, ohnehin schon eine Oase des übertriebenen Nachdenkens und fange also an… zu denken!
Dieses Jahr hat sich viel getan. Dabei habe ich gar nicht so viel gemacht. Aber jetzt, wo ich darüber nachdenke: doch mehr, als ich es mir selbst eingestehen wollte. Ich habe nicht vor, aus dem Nähkästchen meiner privatesten Erfahrungen zu erzählen, aber ich habe vor, von ein paar Dingen zu erzählen, die in meinem Rahmen passen. Eine Erzählung von Medien, die mein Jahr ausgemacht haben. Mal positiver, mal weniger positiv. Aber eine Erzählung von den Dingen, die ich für erzählenswert halte.
Die Yakuza Obsession
Ich liebe Yakuza. Also nicht direkt die Yakuza, aber die Yakuza-Reihe. Also die Videospielreihe namens Yakuza. Die Spielereihe, die viel zu oft als japanisches GTA bezeichnet wird, aber weitaus mehr als das ist – der Vergleich zieht vor allem gar nicht. Yakuza ist ein großer Fiebertraum an (meistens) spannenden Geschichten mit Tausenden Twists und Charakteren, über die zumindest ich meist keinen Überblick behalten konnte. Die aber so gut erzählt sind – mit einer Balance zwischen Drama und Comedy, dass man immer wissen will, was als Nächstes passiert.
Nachdem PC-Fans der Spiele über lange Zeit vergessen wurden, entschieden sich die RGG-Studios und SEGA gegen Anfang des Jahres dazu, Teil 3-5 innerhalb eines Tages und Teil 6 kurze Zeit später für den PC zu veröffentlichen. Über die Jahre hat sich ein Yakuza förmiges Loch in meinem Herzen geformt, das so endlich gestillt werden sollte. Ich habe Kiryu, meinen geliebten Ex-Yakuza, der seiner Vergangenheit nie richtig entkommen konnte, wirklich vermisst.
Erst stürzte ich mich in Yakuza 3, habe nicht verstanden, warum der Teil so verhasst ist und daraufhin ungefähr einen Monat lang Pause gemacht. Und dann kam es. Yakuza 4 – und nicht einmal einen Tag nach dem Finale Yakuza 5. Tag ein tagaus habe ich diese Spiele gespielt und im Falle von Yakuza 5 sogar beinahe zu 100% durchgespielt. Ich habe die neuen sowie alten Charaktere und Städte geliebt und förmlich gelebt. Eine Woche vor dem PC-Release von Yakuza 6 habe ich Teil 5 beendet. Und das Warten auf die Fortsetzung von Kiryus Geschichte hat mich beinahe verrückt gemacht.
Aber auch da hat sich das (nicht allzu lange) Warten gelohnt. Yakuza 6 ist im Vergleich zu seinen übergroßen Vorgängern fast schon zu zurückhaltend, aber das wird auch zu einer der Stärken des Spiels. Als großer Abschluss der Kiryu-Saga wird sich voll auf Kiryu und seine Familie konzentriert, während in jedem Kapitel emotionale Bomben geplatzt werden lassen, die mich nicht nur einmal zum Weinen gebracht haben.
Man könnte fast meinen, der Anfang des Jahres wäre fast vollständig Yakuza gewidmet gewesen. Das stimmt auch! Aber eben nicht ganz. Es gibt ja auch noch ein Yakuza 7. Oder wie es im Westen bekannt ist, ‚Yakuza: Like A Dragon‘. Ein Neuanfang der Reihe mit neuem Protagonisten, einer neuen Stadt, die es zu erkunden heißt und einem komplett neuen Kampfsystem. Auch den Teil habe ich ein paar Monate später gekauft, gespielt, geliebt.
Und ein halbes Jahr später, ein paar Tage nach Weihnachten, habe ich mit ‚Judgment‘ angefangen. Einem Yakuza Spin-Off, das mir bisher ähnlich so viel Freude bereitet, wie sein großer Bruder es tat.
Disco Elysium (The Final Cut)
Während innerhalb weniger Wochen mehrere Yakuza Teile zu spielen im Grunde dasselbe oder zumindest das Ähnliche immer wieder neu verpackt war, ist Disco Elysium eine Art von Spiel, die ich vorher noch nie gespielt hatte. Dieses Jahr erschien nämlich ‚Disco Elysium: The Final Cut‘. Eine Neuveröffentlichung des Indie-Hits aus dem Vorjahr, die unter anderem vollständiges Voice-Acting für jede gesprochene Zeile Text innerhalb des Spiels neu dazu brachte.
Disco Elysium ist mein Lieblingsspiel des Jahres und generell eines der besten Spiele, die ich je erleben durfte. Wirklich. So ein in sich stimmiges Gesamtwerk habe ich selten gesehen.
Eines Tages wacht man in seinem Hotelzimmer auf. Nackt, verwirrt und absolut verloren. Es gilt darum, sich selbst wiederzufinden, insofern man das will, oder seine Identität neu zu schaffen und zu einer neuen Person zu werden. Egal ob diese Person Hau-Drauf-Faschist, trauriger Rassist, unlustiger Kommunist oder absoluter Loser sein soll.
Disco Elysium ist eine Detektivgeschichte, eine so gut geschriebene Geschichte, wie ich sie noch nie gesehen habe. Zumindest nicht in einem Videospiel. Disco Elysium ist ein Rollenspiel. Das heißt, man spielt den Charakter, den man spielen will. Es gibt nicht viele Vorgaben. Und die Möglichkeiten der Selbstfindung und Interpretation sind umso größer. Die Gesamtsituation der Spielfigur, der Welt, in der sich die Geschichte spielt und die generelle Atmosphäre ist unglaublich zynisch und bedrückend. Denkt man zumindest. Die Balance und Vielschichtigkeit von Wärme, Hoffnung, Freundschaft, aber auch den tiefsten Abgründen der Menschheit, tieferen menschlichen Konflikten und den tiefsten Tiefen der menschlichen Psyche haben einen Eindruck auf mich gemacht, den so kaum ein anderes Medium je machen konnte. Zumindest nicht, dass ich mich aktiv daran erinnere.Mir wurde gezeigt, was alles mit Storytelling möglich ist, was alles mit Storytelling innerhalb von Videospielen möglich ist. Disco Elysium ist so individuell, so kalt und so warm, so einvernehmend und einer so interessanten Welt platziert, dass kaum Tage vergehen, an denen ich nicht an meine Zeit mit diesem Spiel zurückdenke. Ich werde die von mir erschaffene Geschichte um meinen kommunistischen, schlechte Witze machenden, abgestürzten Supercop, der trotz allem wieder zu einem Menschen mit pulsierendem Herz wurde, niemals vergessen. Ein wahres Meisterwerk.
Resident Evil: Village
Nicht unbedingt ein Meisterwerk war der achte Teil der Resident Evil Hauptreihe. Resident Evil: Village. Nach viel zu viel Hype von mir selbst, diversen Internetpersönlichkeiten sowie Capcom selbst hatte ich enorm hohe Erwartungen an Village, die leider nicht so ganz getroffen wurden.
Aber versteht das nicht falsch – Village ist trotzdem sehr gut. Aber halt einfach nicht so gut, wie ich es mir erhofft hatte. Alles ist solide, von Gameplay, zu den Umgebungen, Charakteren und Bosskämpfen. Aber vom Hocker hauen konnte es mich nicht. Gefehlt hat mir vor allem die Atmosphäre. Ich hatte meinen Spaß mit Village, nicht umsonst habe ich das Spiel innerhalb der ersten drei Tage nach Release auch dreimal durchgespielt – aber das war es auch schon. Viel mehr musste ich nicht mehr an das Spiel denken. Der Hype war groß, das Spiel auch nicht enttäuschend, aber das war es auch. Mehr habe ich nicht zu erzählen. Village ist gut. Spielenswert. Aber nicht ikonisch. Nicht das Genre definierende Meisterwerk, das ich erwartet hatte.
Metal Gear Solid Trilogie
Schon viel zu jung habe ich mich in Metal Gear verliebt. Ich habe Tausende Let’s Plays der verschiedenen Teile von noch verschiedeneren YouTubern angeguckt, – aber habe kein Spiel der Reihe je selbst gespielt. Also mit Ausnahme von Ground Zero und The Phantom Pain, die ich direkt an Release genießen und lieben konnte. Ja, ich liebe The Phantom Pain. Und vielleicht erzähle ich eines Tages mehr zu dieser Liebe, aber nicht jetzt.
Jetzt geht es nämlich um die ersten drei Teile der Reihe, nämlich: ‚Metal Gear Solid‘, ‚Metal Gear Solid 2: Sons of Liberty‘ und ‚Metal Gear Solid 3: Snake Eater‘.
Relativ spontan entschied ich mich dazu, mir den PC-Port von MGS zu besorgen. Ein PC-Port, der so schlecht ist, dass er ohne gewisse Fanpatches nicht einmal richtig funktioniert. Nachdem ich das ganze Ding aber zum Laufen gekriegt habe, war ich fasziniert davon, was vor 23 Jahren auf der ersten PlayStation möglich war. Die Inszenierung war und ist immer noch kinoreif. Nur die kantigen Polygone sehen aus heutiger Sicht natürlich nicht mehr ganz so schön aus, auch wenn sie durchaus noch ihren Charme haben.
MGS2 und 3 hauchten dem Ganzen noch einmal mehr frischen Wind ein. Durch die PlayStation 2 weitaus hübschere Optik, die auch heute noch recht schön anzusehen ist und vor allem weitaus stärker im Bereich des Gameplays. Zwar wurde mein Spaß ein wenig durch den Input-Lag von PS-Now gedämmt, aber trotzdem spielte sich das Ganze um einiges schneller, direkter und bat mehr Raum für Improvisation als der PS1-Vorgänger. Diese Spiele zum ersten Mal selbst zu spielen hat lange gedauert, aber für mich ist so ein kleiner Traum wahr gegangen. Zwar konnte ich nicht dieselbe Begeisterung für das Franchise aufbringen wie noch vor einigen Jahren, aber nichtsdestotrotz ist Metal Gear etwas, was jeder einmal gespielt haben sollte. Eine Schande, dass Konami nichts dafür tut, um dieses epochale Werk der Videospielgeschichte an neue Generationen von Spielern weiterzugeben und relevant zu machen.
Der Fremde
Ich befinde mich auf sehr dünnem Eis. Ich habe in meinem Leben noch nie wirklich versucht, meine Gedanken gegenüber einem Buch zu artikulieren, aber ich werde es hier versuchen, da ‚Der Fremde‘ diesen Versuch definitiv wert ist. Gelesen über einen Tag beim Besuch bei meinen Großeltern, war dieses Buch von Albert Camus nämlich eine gewissermaßen spirituelle Erfahrung.
Der titelgebende Fremde ist sich selbst, seiner Welt, seiner Umgebung, jedem um ihn herum eine fremde Person. So unbewusst erlebt und so lakonisch beschrieben, dass es mich gruselt, wie sehr ich mich mit dieser Entfremdung zum Leben identifizieren konnte.
Das Lesen an sich bereitet schon Freude, die Beschreibungen und poetische Auseinandersetzung mit dem Alltag kriegt man so gut herunter wie ein warmes Glas Honigmilch nach einem langen Abend. In dem Sinne einem Murakami nah, aber definitiv doch etwas Eigenes. Weniger auf surreale Weise distanziert, sondern wirklich entfremdet. ‚Der Fremde‘ zieht einen so in sich hinein und macht einen so bekannt mit sich selbst, dass der Titel fast schon nicht mehr stimmen kann. Ein Buch, von dem man immer hört, dass man es gelesen haben muss und ein Buch, von dem ich genau das auch so unterschreiben würde.
Peace or Love
Ähnlich wie es mir fremd ist, über Bücher zu schreiben, ist es mir sogar noch weniger gelegen, mich über Musik zu äußern. Den Großteil meines Lebens konnte Musik mich tatsächlich eher wenig begeistern. Es ist erst eine relativ neue Entwicklung, eine, die über die letzten fünf Jahre stattfand, dass ich mich mehr für einzelne Musiker oder Genres interessieren kann.
Das ging tatsächlich mit dem DJ ‚Breakbot‘ los, bevor sein Hit ‚Baby I’m Yours‘ zum Meme wurde und befindet sich derzeit bei Margo Guryan und Regina Spektor, wo ich erst recht nicht beschreiben kann, warum ich sie als Künstler so interessant finde.
Bei ‚Peace or Love‘ handelt es sich aber um andere Künstler, eine andere Band. Die ‚Kings of Convenience‘ sammelten nach zwölf Jahren an schöpferischer Pause wieder genug Energie, um ein neues Album zu veröffentlichen. Genannt: ‚Peace or Love‘. Meine Aufregung konnte ich bei der Ankündigung des Albums nicht zurückhalten. Erst posteten die zwei Bandmitglieder, Erlend Øye (mein Lieblingsmusiker) und Eirik Glambek Bøe ästhetische Videos diverser Orte, unterlegt mit noch nie zuvor gehörter Musik aus deren Schöpfung.
Langsam wurde bekannt, dass ein neues Album kommen würde. Der Name wurde bekannt gegeben, der erste Song wurde veröffentlicht, und ein paar Monate später verwöhnte das Gesamtwerk mit seinen elf Songs meine Ohren.
Schon der Name des Albums umfasst, warum ich diese Band so sehr liebe. Definitiv nicht für jeden. Die zwei Norweger begeistern mich immer wieder aufs Neue mit ihren Akustik-Gitarren-Kompositionen, ihren leicht naiv-träumerischen, hoffnungsvollen, traurigen und einfach wunderschön menschlichen Liedtexten und der Romantik, die in jedem ihrer Lieder mitschwingt. ‚Peace or Love‘ beschreibt die Stimmung ihrer Musik sehr gut – und nicht umsonst ist ‚Rocky Trail‘ mein meistgehörtes Lied dieses Jahres. Romantik und innerer Frieden für die Seele.
Phoenix Wright Trilogie
“Einspruch!”, ist so ein Satz, mit dem ich wohl jeden innerhalb meines Freundeskreises für eine längere Weile belästigen musste. Denn innerhalb von zwei Wochen kam ich in den Genuss der gesamten ‚Phoenix Wright: Ace Attorney‘ Trilogie und konnte auch Wochen danach einfach nicht aufhören darüber zu reden.
Bei den Ace Attorney Spielen handelt es sich um Visual Novels, um den titelgebenden Anwalt, Phoenix Wright. Es gilt Fälle zu lösen, sich vor Gericht zu beweisen und die Wahrheit herauszufinden, sodass jeder am Ende des Tages glücklich nach Hause gehen kann.
Es gibt wirklich kein so zufriedenstellendes Gefühl wie im richtigen Moment, beim ersten Versuch, das richtige Beweisstück vorzulegen und so für eine große Wendung innerhalb des Strafprozesses zu sorgen, die Staatsanwälte schwitzen zu sehen und die bombastische Musik zu genießen, die jeden kleinen Sieg im Gerichtssaal perfekt untermalt.
Die deutsche Übersetzung fiel mir besonders positiv auf, so viel Wortwitz und gewissermaßen Eleganz im übersetzten Wort hätte ich mir echt nicht erwartet. Aber Ace Attorney begeistert von vorne bis hinten. Die Charaktere sind einzigartig, die Musik ist fantastisch, die ganze Inszenierung dafür, dass sie vor allem an Text gebunden ist, hervorragend und die Kriminalfälle an sich auch immer wieder perfekt verpackt und dann geschickt wieder gelöst, dass jeder Fall, jeder Tag vor dem Gericht unglaublich unterhaltsam ausfällt.
Sally Rooney
Zurück bei den gedruckten Buchstaben oder in diesem Fall einer Ausdenkerin der zu druckenden Buchstaben, befinden wir uns bei der lieben Sally Rooney, Autorin einer meiner Lieblingsbücher ‚Normal People‘. Außerdem auch Autorin eines dieses Jahr erschienenen Buches, ‚Beautiful World, Where Are You‘.
Ungelogen jede Woche schaute ich mindestens einmal im Internet nach Neuigkeiten zu einem neuen Buch von der werten Frau Rooney, aber ich wurde ebenso jede Woche auf ein Neues enttäuscht. Bis ich eines Tages, wie durch Zufall auf TikTok ein Video zu ihren Büchern empfohlen bekam. Und so stelle sich heraus, dass eine Woche vorher ihr neuestes Buch auf dem Markt kam.
Sofort bestellt, schnell geliefert und zwei Wochen später innerhalb von zwei Tagen gelesen, ist auch ‚Beautiful World, Where Are You‘ wieder ein schönes Buch darüber, ein Mensch zu sein. Ich versuche Freunden immer wieder begeistert davon zu erzählen, wie es ihr gelingt, unsympathische Menschen sympathisch wirken zu lassen. Von Menschen zu erzählen, die einfach menschlich sind. Kurze Einblicke in Leben, die auch real sein könnten. Es sind komfortable Bücher. Bücher, die einem Sagen, das es in Ordnung ist, einer von vielen zu sein. Aber auch Bücher, die eine gewisse Magie, eine gewisse Hoffnung auf etwas Besonderes im Alltag am Leben erhalten können.
Rooney gibt immer Hoffnung auf mehr, während sie einen glauben lässt, dass mehr nicht immer nötig ist. Eine Autorin, die weiß es mir besser gehen zu lassen. Eine Autorin, die versteht, dass alleine schon das Menschsein ein romantischer Akt ist.
Last Night in Soho / The Sparks Brothers
Wenn wir schon von Lieblingsautoren sprechen, dann ist der Sprung zu Lieblingsregisseuren nicht allzu weit. Dieses Jahr veröffentlichte Edgar Wright, mein absoluter und definitiver Lieblingsregisseur, zwei neue Filme. ‚Last Night in Soho‘ und ‚The Sparks Brothers‘. Einmal Horrorfilm, einmal Dokumentation. Beide Male etwas Neues für und vom Regisseur meines Herzens.
Wo meine erste Reaktion zu Last Night in Soho erst relativ lauwarm und definitiv enttäuscht war, konnte ich der Dokumentation über die Band ‚Sparks‘ von Anfang an meine Liebe aussprechen. Wie man sich über Dokumentationen ausspricht, weiß ich aber noch weniger, als wie ich über Musik und Bücher reden soll, deshalb ist das Einzige, was ich zu den Spark-Brüdern sagen kann: Interessante Band, interessantere Musik, einfach eine gute Dokumentation.
Wichtig zu bemerken ist, dass sich bei Last Night in Soho über die letzten paar Wochen meine Meinung geändert hat. Vor über einem Monat habe ich meine Review veröffentlicht, und seitdem habe ich den Film drei Mal mehr im Kino gesehen. Insgesamt fünf Mal. Soho ist immer noch der schlechteste Edgar Wright Film, aber die Kreativität in der stilistischen Umsetzung wird mir bei jedem Mal Schauen nur wichtiger. Bestimmte Sequenzen gehen mir nicht aus dem Kopf, einfach ein Film, bei dem es Spaß macht, ihn anzusehen, der meine Liebe für die Visualität des Mediums Film stärkt.
Animal Crossing: New Horizons 2.0
Was wirklich jeder meiner Freunde über mich weiß, ist, dass Animal Crossing mir mehr bedeutet als so ziemlich jedes andere Videospiel. Das erste Spiel, das ich je (bewusst) gespielt habe, war ‚Animal Crossing: Wild World‘ auf dem Nintendo DS meiner Schwester. Nichts lässt mich mehr entspannen als Animal Crossing Musik, der Gedanke, mich in meine eigene kleine Welt zurückzuziehen und dort mein Leben so zu leben, wie es mir gefällt.
Dementsprechend enttäuschend war der neueste Ableger, ‚New Horizons‘. Viel des individuellen Charmes der Reihe ist einfach verloren gegangen. Die Dorfbewohner waren weniger interaktiv, die dörfliche Atmosphäre einer Stadt, in der man erst sich selbst und dann alles andere um einen herum etabliert und wachsen lässt, gab es einfach nicht mehr. Stattdessen lag der Fokus mehr auf der visuellen Gestaltung sein Selbst und seiner Insel. Weniger wichtig der Gedanke, sich in einer entwickelten Welt zu finden, in der man sich immer mehr wie zu Hause fühlt, sondern immer wichtiger der Gedanke, sich selbst dieses Zuhause zu schaffen, anstatt sich irgendwo einzuleben.
Das ist nicht mein Animal Crossing. Viele Features aus den Vorgängern haben gefehlt, New Horizons war einfach nicht das, worauf ich mich jahrelang gefreut habe. Eines Tages liege ich in meinem Hotelbett in London, habe gerade erst ‚The Sparks Brothers‘ in wunderbaren Prince Charles Cinema geguckt und habe mich darauf gefreut, ein paar Tage später bei einem Live-Konzert der ‚Kings of Convenience‘ dabei zu sein. An diesem Abend lief eine Nintendo Direct. Animal Crossing taucht auf, New Horizons 2.0, eine Animal Crossing Direct im nächsten Monat. Die Freude war so groß, meine Mitreisende hat sich Sorgen darum gemacht, von wo denn mein plötzlicher Enthusiasmus kam.
Zu New Horizons 2.0 möchte ich irgendwann einen eigenen Artikel schreiben, aber hier sei einfach nur gesagt: New Horizons ist auch mit 2.0 zwar nicht das was ich wollte, aber es kommt viel näher an das ran, was ich von einem neuen Animal Crossing Teil haben wollte. Die Hoffnung ist groß, vielleicht wird das nächste Animal Crossing endlich das, wovon ich, seit New Leaf träume.
American Psycho
Sex, Mord, Geld, Status. Ein paar der Dinge, mit der meine Generation nicht nur ein wenig besessen zu sein scheint, wenn man sich anguckt, wie ‚American Psycho‘ über die letzten paar Monate wieder an Popularität gewonnen hat. Zwar insbesondere im Bezug auf den scheinbar hypermaskulinen Protagonisten Patrick Bateman und seine Darstellung durch Christian Bale. Der Film steht als Denkmal für ein Werk der Satire, wird mittlerweile sowohl ironisch als auch unironisch für seine Darstellung von (toxischer) Maskulinität und der Wall Street Kultur gelobt, glorifiziert und nimmt dabei großen Einfluss auf bestimmte Seiten von moderner Internetkultur.
Vor ein paar Jahren habe ich die Verfilmung des Buches zum ersten Mal geschaut, fand sie ziemlich erschreckend und weniger lustig, aber dennoch tiefgehend interessant in der Darstellung eines Mannes, der sich so in seinem Lebensstil verliert, dass er sein oberflächlichstes Leben lebt, ohne dass er oder irgendjemand sonst es bemerkt.
Wirklich bewusst darüber, wie lustig diese Illusion eines Lebens aufgezeigt wird, wurde ich mir erst über die ganzen Memes, denen ich plötzlich nicht mehr entkommen konnte. Schnell kaufte ich mir das Buch von Bret Easton Ellis und las es innerhalb von ein paar Tagen durch. Ein urkomisches Buch erzählt vom Protagonisten selbst meine Lieblingsstelle, wenn er davon erzählt, wie sein Hemd zerrissen ist, weil er seine Muskeln leicht angespannt hat. So sinnlos und verloren von jeglicher Realität einfach nur fern, dass ich nicht nachvollziehen kann, wie je jemand dieses Buch ernst nehmen konnte. Zwar spitzt sich die Brutalität in Batemans Psychose gegen Ende immer weiter zu, die Gewaltdarstellungen werden immer extremer, unangenehmer, sodass es selbst mir zu viel wurde. Aber der Ton wurde durch die ganzen 200 Seiten davor so gut etabliert, dass man weiß, dass das Ganze mehr Illusion als Wahrheit meint.
Es ist bis heute eine Debatte, ob die Geschehnisse des Buchs sowie des Films wirklich so passieren wie erzählt, ob ein paar Tatsachen keine Tatsachen sind oder die gesamte Geschichte eine große Lüge, aber das ist mir nach dem Lesen des Buchs nicht mehr wichtig. Das Buch erzählt einem, ohne dabei besonders subtil sein zu wollen, immer wieder davon, wie inhaltslos und oberflächlich das Leben seiner Figuren doch ist. Es ist egal, ob etwas wirklich passiert ist oder nicht. Es bedeutet nämlich einfach nichts. Ein solches Leben ist bedeutungslos. Niemand ist sich dessen bewusst. Jeder ist in seiner Bedeutungslosigkeit gefangen. Und es gibt keinen Weg daraus.
No Way Home
Für manch andere Figuren gibt es keinen Weg nach Hause. Mitte Dezember erschien nach langem Warten, ewiger Spekulation und riesigem Hype der dritte Spider-Man Solo-Film innerhalb des Marvel Cinematic Universe. Ein Film, bei dem ich auf dem Weg ins Kino geweint habe, im Kino weinen musste und mit einem großen Lächeln aus dem Saal wieder rauskam. Auch über No Way Home habe ich eine Review geschrieben und habe daher nicht mehr besonders viel zu sagen.
Noch einmal knapp: No Way Home ist zwar der beste Spider-Man Film im MCU, aber ein wirklich guter Film steckt immer noch nicht hinter der Illusion von Nostalgie, Cameos und seichter Witzigkeit. No Way Home greift Elemente auf, die Spider-Man in seiner neuen Interpretation gefehlt haben, setzt sie endlich gut genug um und erfüllt dabei die feuchtesten Träume von Hunderttausenden Fans, jung und alt. Als Film bedeutet mir das Ding nichts, dafür ist das Skript zu mäandernd, die Kamera zu unkreativ, die Charaktere zu blass. Aber als Zelebration dessen, was Spider-Man die letzten 20 Jahre auf der Leinwand ausgemacht hat, also Zurückfindung zu dem, was Spider-Man schon immer bedeutet hat, funktioniert der Film. Und deshalb macht er mich glücklich. Auch wenn wir hier nicht von Perfektion reden, wir reden von etwas, was gut genug war, aber hätte besser sein können, besser sein sollen, aber nicht besser sein müssen. Es ist gut genug für das, was es ist, und im MCU reicht mir das auch.
Verbrechen und Strafe
Somit befinden wir uns am Ende des Jahres. Spontan habe ich mir ein paar Tage vor Weihnachten ‚Verbrechen und Strafe‘ von Fjodor Dostojewskij mitgenommen. Aus einem Buchladen am Münchner Marienplatz, den ich sicher seit über zehn Jahren nicht mehr betreten habe. Mein Grund zum Kauf? Nichts weiter, als dass es immer wieder heißt, dass Verbrechen und Strafe oder in seiner Altübersetzung: ‚Schuld und Sühne‘ eines der Bücher ist, die man in seinem Leben gelesen haben muss.
Ein paar Stunden vor Beginn des Heiligabends fing ich mit dem Lesen an, einen Tag vor Silvester landete das Buch in meinem Regal. Verbrechen und Strafe ist tatsächlich eines der besten Bücher, die ich je gelesen habe. Für mich ist es immer wieder ein Kampf mit mir selbst Bücher zu lesen oder Filme zu schauen, die einen derart hohen Stellenwert in der (Pop)Kultur haben. Was ist, wenn es mir nicht gefällt?
Ich hänge viel zu sehr an dem Gedanken, als intellektuell und belesen aufzutreten, sodass es mir immer ein wenig weh tut, wenn ich scheinbare Klassiker nicht zu schätzen weiß, aber hier war es anders. Ein Buch, das mich von vorne bis hinten fasziniert hat, an das ich während meiner Lesepausen denken musste – und das auch jetzt natürlich nicht aus meinem Kopf geht.
Wo Verbrechen und Strafe etwas harsch klingt, trifft Schuld und Sühne doch etwas besser, warum ich so mit diesem Buch einvernommen bin. Dostojewskij schreibt von einem jungen Mann in der vermutlich besten Zeit seines Lebens, der ohne sich überhaupt dessen bewusst zu sein mit dem Leben, mit der Partizipation am Alltag, dem Hoffen abgeschlossen hat. Ein Mensch, der sich selbst so sehr verloren hat, dass er metaphorisch und wirklich krank wurde. Ein Mensch, der schlechtes tut und lernt, dass man sich aus jedem Fehler, dem tiefsten Loch, wieder herausgraben kann, wenn man nur das Richtige tut.
Das Richtige zu tun ist eine der schwierigsten Aufgaben des menschlichen Seins, aber Raskolnikow schafft es irgendwann. Auch wenn es heißt, seine Strafe entgegenzunehmen. Verbrechen und Strafe ist in Wirklichkeit die Geschichte von dem Ende mehrerer Leben, dem Beenden von Leben sowie dem Neuanfang eines Lebens – verschiedener Leben. Jedes Ende hat einen Anfang, es gilt nur wirklich anzufangen. Eine ernsthaft inspirierende Auseinandersetzung mit dem Abgrund und der Menschlichkeit, die in einem schlummert. Zutiefst inspirierend.
Es stimmt wirklich, Verbrechen und Strafe muss man gelesen haben.
Und der Anfang eines Neuen
Es ist der 1. Januar 2022. Ich schreibe jetzt seit ein paar Tagen an diesem Monster immer wieder on und off. Wirklich Gedanken darüber, was ich schreibe, mache ich mir nicht, es landen einfach halbwegs ausformulierte Gedanken- und Wortstränge in meinem Word Dokument, die irgendwann dann veröffentlicht werden sollen. Es ist einfach nur ein Tag vergangen, eine Nacht, und schon befinde ich mich in einem neuen Jahr. Eigentlich bedeuten Jahre doch gar nichts, aber aus irgendeinem Grund haben wir Menschen irgendwann damit angefangen, uns an Daten festzuklammern, zu sagen: „Nächstes Jahr läuft alles so, wie ich es will! Das wird mein Jahr!“, aber irrelevanter könnte dieser Gedanke gar nicht sein.
Dennoch liege ich hier in meinem Bett, tippe mir diese ebenso irrelevanten Gedanken aus dem Kopf auf den Bildschirm und erinnere mich gerne daran, was diese vergangene Epoche, in Form von 2021, so mit meinem Leben getan hat. Jetzt befinde ich mich schon in der nächsten, und es wird vermutlich noch ein paar Wochen oder sogar Monate brauchen, bis mir das wirklich bewusst wird. Auch 2022 wird mein Leben verändern, ich werde neue Erinnerungen sammeln und wer weiß schon, was auf mich zukommen wird. 2021 war ein schönes Jahr, und wenn die letzten paar Monate des Jahres irgendetwas zu bedeuten haben, dann wird es in 2022 nur noch schöner. Ich freue mich darauf, in einem Jahr wieder daran zurückzudenken, was sich alles getan hat.