Videospielabenteuer auf der großen Leinwand
Regisseur Ruben Fleischer, bekannt durch epochale, filmlandschaftsdefinierende Meisterwerke wie ‚Zombieland‘ und meinem persönlichen Favoriten: ‚Venom‘ bezaubert die Kinoleinwand mit der ersten von einigen noch dieses Jahr erscheinenden Videospieladaptionen: ‚Uncharted‘.
Das sich schon seit 2010 in Entwicklung befindende Projekt litt unter allen Problemen, die eine Filmprojektion heimsuchen könnten. Regisseure sprangen ab, Neue sprangen auf, das Skript wurde neugeschrieben, der Film wurde verschoben. Und das immer wieder. Gute zwölf Jahre nach der Erstankündigung findet sich Uncharted jetzt also endlich auf der großen Leinwand wieder.
In dem Zeitraum zwischen Ankündigung und letztendlicher Veröffentlichung erschienen zwei weitere Teile in der Hauptreihe, zwei Spin Offs und zwei Neuveröffentlichungen aus den sich angesammelten Videospiel-Teilen. Natürlich rein zufällig erschien erst Ende Januar die ‚Legacy of Thieves Collection‘, die die zwei PlayStation 4 Teile für die PS5 neu auflegt, um für Fans der Spiele als direkten Verweis auf den neuen Film zu dienen, während der Film für neu dazu gestoßene Fans als direkte Einkaufseinladung zur neuen PS5-Collection dient.
Auch wenn das Goldene Zeitalter von Uncharted als Videospiel vorbei ist, soll jetzt, sechs Jahre nachdem die Spielreihe ihren Abschluss mit Protagonisten ‚Nathan Drake‘ gefunden hat, mithilfe von Tom Hollands Starpower neue kulturelle Relevanz für das Franchise gefunden werden.
Videospielverfilmungen waren schon immer ein Weg dazu, einfach und ohne große Mühe Geld aus den Taschen von Fans zu beziehen, die einfach nur mehr Zeit mit ihrer bereits etablierten Franchise-Liebe verbringen möchten. Es ist ja auch nicht so, als würde sich Uncharted nicht zu einer Verfilmung eignen, schließlich handelt es sich dort um eine videospielifizierte Version von Indiana Jones, ein Fakt, den der Film nicht ganz subtil selbst auch zur Rede bringt.
Ein Abenteurer geht immer wieder auf Jagd nach verloren Kulturen und wertvollen Schätzen, ist ein Bursche mit einem Herz aus Gold, hat sympathische Freunde und überzogene Gegenspieler, erlebt alles Mögliche an actiongeladenem Kram und erfüllt gleichzeitig den tief in uns sitzenden Wunsch nach dem Erkunden der Welt und fantastischen Abenteuern.
Steven Spielberg hat vor 40 Jahren dieses Formular mit seinem Kumpel George Lucas und dessen Kollegen Harrison Ford etabliert, und heute sehen wir das Ganze noch einmal, bloß mit Ruben Fleischer, seinen Freunden von Sony Pictures und Sony Pictures‘ liebstem Schauspieler: Tom Holland.
Uncharted: Der Film
Ruben Fleischer als Regisseur, Tom Holland als ‚Nathan Drake‘, Mark Wahlberg als Drakes Mentor, bester Freund und Vaterfigur ‚Victor Sullivan‘. Box-Office Dynamit durch (von Geld) inspiriertem Casting und Wahl eines Regisseurs, der Sony schon mit Venom einen Überraschungserfolg in die Bankkonten gebracht hat.
Also hier ist es endlich, Uncharted im Kino. Typisch für Neuadaptionen von bekannten Pop-Kultur Franchises handelt es sich hier um eine Origin Story, die Nathan Drakes Herkunft anreißt und seinen ersten großen Abenteuerfeldzug rund um die Welt detailliert, sein erstes Treffen mit Victor Sullivan umfasst und Drake in die Person entwickeln lässt, die man in seinen Videospielen bereits ins Herz geschlossen hat.
Wo die Videospiele von Anfang an schon mitten in Drakes Karriere als Abenteurer ansetzen, nehmen sich Ruben Fleischer und Team die Zeit, um alles langsam und von vorne aufzurollen. Nathan Drake, ein einsamer in New York arbeitender Barkeeper, wird von Viktor Sullivan rekrutiert, um einen Schatz zu finden, mit dem Nate sowie sein Bruder Sam schon seit ihrer Kindheit fasziniert waren. Der Ursprung einer lang anhaltenden Freundschaft, die erst einmal damit starten muss, dass Drake lernt, wem man als Abenteurer vertrauen darf und wie man sich gegenseitiges Vertrauen überhaupt erst verdient.
Das bildet die Rahmenhandlung von Uncharted, dem Film, der sich bei der konkreten Ausformulierung seiner Geschichte bei den verschiedenen Bausteinen aus den Videospielen bedient. Actionsequenzen aus Uncharted 3, Nates Bruder und der Schatz von jahrhundertealten Piraten aus Teil 4 und sonst neu dazu gedichtete Eskapaden als Barkeeper oder Faustkämpfe inmitten von Untergrund-Raves und gesponserten Pizzerien.
Komplett neu sind hier Gegenspieler ‚Santiago Moncada‘, gespielt von Antonio Banderas und die von ihm angeheuerte ‚Braddock‘, die von Tati Gabrielle verkörpert wird. Zwei Abziehfiguren, die nichts zu bieten haben, bis auf so verwerfliche Charaktereigenschaften, dass man sich kaum vorstellen kann, wie der Film mit ernster Miene auch nur ansatzweise behaupten kann, dass Nate & Crew ähnlich misstrauenswürdig sein sollen wie die überzogenen Antagonisten.
Hier handelt es sich also um ‚Die Guten‘ Abenteurer in Auseinandersetzung mit ‚den Bösen‘ skrupellosen Abenteurern. Um Drake und Sullivan auszuhelfen, tritt auch noch Sophia Ali im Laufe der Handlung als die aus den Spielen bekannten ‚Chloe Frazer‘ ins Bild und bietet Drake eine weitere alternative Sicht auf das Leben als Indiana Jones-Nachahmer.
Mehr als ‚Gut‘ gegen ‚Böse‘ wird das Ganze nie, die Figuren bleiben blass und sind letzten Endes nur Hindernisse, die von ‚den Guten‘ überwunden werden müssen. Dementsprechend sogar ziemlich dem Videospiel treu, da vor allem in den früheren Teilen der Reihe, die Gegenspieler auch nichts Weiteres waren als Instrumente zur Ausschmückung der Handlung.
Warum Uncharted? – Das Videospiel
Die Verfilmung bezieht sich also in seinen Elementen auf verschiedene Teile der Spielreihe, würfelt sowohl bekannte Charaktere und Szenarien zusammen sowie sie sich auch neue ausdenkt. Eine valide Herangehensweise, wenn es um Adaptionen geht, die alles in allem aber auch viele Fragen offenlässt. Warum bezieht sich der Großteil der Handlung auf den letzten Teil der Videospiele? Warum wird Nathan Drake von Tom Holland und Victor „Sully“ Sullivan von Mark Wahlberg gespielt?
Mit Tom Holland als der charmante Ganove aus der Nachbarschaft freundet man sich über die Laufzeit des Filmes ein wenig an, während Wahlberg und Sully eine fragwürdige Casting-Wahl darstellen, die sich bis zum Ende hin nicht rechtfertigen kann. Nate und Sully sind in den Videospielen ein Duo wie kein anderes. Zauberhaft sympathisch in ihren Witzeleien und gegenseitigen Sticheleien, lustig und offensichtlich durch dick und dünn gegangen. Bei Holland und Wahlberg merkt man nichts von dieser Chemie, einerseits natürlich, weil es sich hier um eine Origin-Story handelt. Das erste Treffen der beiden. Hier gibt es keine jahrelangen gemeinsamen Erfahrungen, auf die sich rückbezogen werden kann. Die zwei werden gerade erst miteinander bekannt.
Aber selbst so fehlt vor allem Wahlberg die gewisse Liebenswürdigkeit, die Sully in den Videospiel-Flashbacks zu Nates und seiner Vergangenheit schon von Anfang an ans Licht bringen konnte. Chloe Frazer ist vermutlich die beste Adaption der Charaktere aus den Spielen. Es mag zwar die Affinität zum Flirten fehlen, aber im Kern ist sie immer noch die sarkastische, leicht manipulative, aber dennoch nicht vollkommen unmoralische Chloe, wie man sie kennt und liebt.
Tom Holland als Protagonist funktioniert hier ganz in Ordnung. Auch wenn sein Casting selbst jetzt noch fragwürdig erscheint, ist Holland ein akzeptabler Nathan Drake. Das größere Problem: wie eben für solche Adaptionen typisch entwickelt sich Drake erst über den Verlauf der Handlung in die Figur, die man aus den Spielen kennt, was nicht ganz unterschwellig mithilfe von einem Zitat aus ‚Nates Theme‘ von den Videospielen vermittelt werden soll. Im Gegensatz zu dem Klettermeister und je nach Auslegung ab und zu noch Massenmörder Drake aus den Spielen schwingt Tom Holland nur seine Fäuste, macht mehr Parkour als irgendetwas anderes, löst hier und da mal ein Rätsel wie aus dem nichts und darf dann erst gegen Ende zu Schusswaffen greifen und seine Kletterkünste zu Beweis stellen.
Klar, in einem Film kann man nicht so einfach über die spielerischen Elemente von langen Schießereien mit Hunderten Toten hinwegsehen, aber wenn Drake und Sully schon Menschen in ihre Tode stürzen lassen, dann sollte es kein Problem sein, ein paar davon auch mal per Schusswaffe mit unmittelbar folgendem charmant-frechen Spruch ins Jenseits zu befördern. Insgesamt fehlt vor allem Nates Hang zur frechen Arroganz, etwas worüber bei seinem ersten Abenteuer aber noch halbwegs hinweg zu sehen ist. Immerhin, Hollands nackter Oberkörper kriegt mehr als genug Zeit im Rampenlicht und es ist ernsthaft erstaunend, wie stark definierte Muskeln der Mann unter seinen Henley-Shirts versteckt hält.
Warum Uncharted? – Der Film
Genug von den Charakteren und Videospielbezügen geredet. Wie schlägt sich Uncharted denn jetzt als Film? Die Antwort ist recht simpel: nicht besonders gut. Der Film beginnt mit einer direkten Annäherung an die Spiele. Wie von dort bekannt startet das Abenteuer irgendwo mitten im Geschehen, eine aufregende Actionsequenz wird gezeigt und von dort aus alles von vorne wieder aufgedreht, mit dem Versprechen, dass alles auf dieses coole Set-Piece zurückführen wird.
Wir sehen also Tom Holland von verschiedener Frachtladung aus einem Flugzeug hängen, während die Kamera sich in seinen Kopf reinplatziert, um auf willkürliche Weise durch die First-Person-Kamera einen Bezug zur Videospielität des Source Materials zu knüpfen. Hier wird mit hässlichen Computer-Effekten die Illusion kreiert, dass von Fracht zu Fracht gesprungen wird und einfache Schlägertypen vom Flugzeug aus irgendwo ins nirgendwo geschleudert werden.
Von dort aus finden wir uns in einem Flashback wieder, Nathan Drake als Kind, ungefähr zehn Jahre alt, gespielt von nicht-Tom Holland, der aber fast genauso alt aussieht wie Tom Hollands Nathan Drake, bloß dass der Film einen glauben lassen will, dass zwischen dem Drake aus der Vergangenheit und dem aus der Gegenwart ganze fünfzehn Jahre an Entwicklung stattgefunden haben.
Der Ersteindruck vermittelt sofort nichts besonders Ernstzunehmendes. Uncharted ist auch als Videospiel kein ernstes Meisterwerk des Storytellings, also dementsprechend ist das kein Problem. In der richtigen Stimmung kann man mit Ruben Fleischers Uncharted nämlich ziemlich viel Spaß haben. Im Kern ist seine Verfilmung nämlich nicht weiteres als ein seichter Abenteuerblockbuster, zu dem sich zwei Stunden lang das Hirn ausgeschaltet wird.
Vor allem wenn man versucht auszublenden, dass der Film insgesamt nicht viel von der direkten DNA der Spiele übernimmt, und versucht sich die Verfilmung als nichts Weiteres als eine große Anspielung zu sehen, dann hat Uncharted einiges an Unterhaltung zu bieten. Zu keinem Zeitpunkt wirklich anspruchsvolle oder hochwertig umgesetzte Unterhaltung, denn unter anderem ist Fleischers Uncharted einer der hässlichsten Filme, den ich in letzter Zeit gesehen habe. Hässliche Beleuchtung, hässliche Effekte, hässlicher Green Screen. Vieles einfach falsch aussehend, vieles so schlecht gefilmt, dass man nicht wirklich mitbekommt, was gerade passiert.
Dazu auch noch wirklich austauschbare Charaktere, die zu keinem Zeitpunkt so charmant und bezaubernd sind, wie ihre Videospiel-Äquivalente und eine Abenteuergeschichte, die so wenig Erkundungsdrang und Staunen auslösen, dass man sich fragt, was genau der Plan beim Schreiben des Skripts eigentlich war.
Sehen wir es mal so, die Videospiele waren bis auf vielleicht den vierten Teil nie wirklich gute Geschichten. Aber sie wurden dadurch interessant, dass die Charaktere, die man über die Reise durch vergessene Ruinen und antike Zivilisationen begleitet, einen unterhalten haben. Dadurch, dass diese Charaktere untereinander Charme hatten und zur gegenseitigen Entwicklung beigetragen haben. Dadurch, dass diese Charaktere Orte erkunden, die man sich als Normalsterblicher nicht einmal vorstellen könnte. Uncharted war schon immer fantastischer Eskapismus für jeden Menschen mit einem inneren Drang nach Abenteuer. Videospiele mit Charakteren, die cooler sind, als man selbst es jemals sein könnte, mit Umgebungen, die so beeindruckend sind, dass man nichts tun kann als Staunen und davon zu träumen, dass solche Orte auch in unserer Realität hoffentlich irgendwo existieren. Irgendwo erreicht auch Fleischers Verfilmung dasselbe Ziel, bloß mit bei Weitem nicht so viel Eleganz.
Deshalb
Uncharted steht für nichts weiteres als Spaß und Abenteuer. Auch wenn die Verfilmung diese Sachen nie so qualitativ zur Schau bringt wie die Spiele, gibt es im Kern, wenn man sich denn darauf einlassen kann, wirklich viel Spaß für sich zu finden und auch ein bisschen Abenteuer am Rande. Wie bei so vielen modernen Blockbustern stellt sich hier einfach nur die Fragen: „Kann ich zwei Stunden lang einfach nur Spaß haben, egal wie schlecht der Film eigentlich ist? Kann ich ignorieren, dass dieses von mir geliebte Franchise sich nicht so anfühlt, wie ich es mir vorgestellt habe?“
Diese Fragen können von den meisten Menschen mit einem einfachen „Ja.“, beantwortet werden. Ja, denn sonst würde es solche Filme wie Uncharted nicht geben. Ja, sonst wären die Venoms oder ‚The Rock‘-Filme nun mal nicht so erfolgreich.
Ich kann darüber hinwegsehen, dass Uncharted nicht so Uncharted ist, wie ich es mir gewünscht hätte, aber ich kann nicht darüber hinwegsehen, was für ein mieser Film hinter dem ganzen Spaß steht, den ich im Kinosaal trotz allem hatte. Uncharted ist letzten Endes ein okayer Film, eine Videospielverfilmung, die hätte schlimmer sein können, aber ein Film, der auf die Weise niemals hätte existieren müssen.