Review – Scream (Matt Bettinelli-Olpin & Tyler Gillett, 2022)

Scream (2022) © Paramount Pictures / Spyglass Media Group

Warum eigentlich das Geschreie?

Zehn Jahre nach ‚Scream 4‘ sind wir zurück bei ‚Scream‘, dem zweit besten Film im Scream-Franchise, der tatsächlich auch nur ‚Scream‘ heißt. Über ‚Scream‘ kann man sich allerdings nicht weiter tiefgehenden unterhalten, wenn man sich nicht auch gleichzeitig mit der Geschichte von ‚Scream‘ auseinandersetzt.

Aber erst mal genug mit dem spaßhaften Gerede, davon gibt es nämlich sowohl in ‚Scream‘ als auch in ‚Scream‘ mehr als genug. Ich rede hier von dem originalen ‚Scream‘ (1996) aus der Hand des Horror-Regisseurs Wes Craven und dem neuen ‚Scream‘ von 2022. Um die ganze Qual hier etwas aufzulockern, bezeichne ich den neuesten ‚Scream‘ ab jetzt einfach als ‚Scream 5‘ und den ersten ‚Scream‘ weiterhin einfach nur als ‚Scream‘.

Ähnlich wie der letzte Versuch, diesem Meilenstein der (halbwegs) modernen Horror-Geschichte wieder etwas an Relevanz zukommen zu lassen, rollt dieses Requel (so bezeichnen die Charaktere das Geschehen des Films selbst) wieder alles von vorne auf. Fast alles zumindest. Neuer Cast, neuer gleicher Mörder in der Gestalt von Ghostface und alles zurück in Woodsboro, dem Ursprung allen Übels.

Scream (2022) © Paramount Pictures / Spyglass Media Group

In seiner Essenz war das Scream-Franchise von Anfang an immer ein Kommentar auf den Zustand von Horrorfilmen zu seiner jeweiligen Zeit, dann ein Kommentar auf Sequels, dann ein Kommentar auf Trilogien und dann vor zehn Jahren, einer auf Reboots/Remakes.

Das sind die Regeln eines Slashers, die Person stirbt zuerst, so entgeht man einem Tod, das ist der Killer. 
Diese Person ist im Sequel der Killer, so wird sich auf den ersten Film zurückbezogen und so geht es mit den Charakteren weiter. 
Der dritte Film versucht immer auf bestimmte Weisen alles in einer perfekten Schleife zu verpacken, das Vergangene ist und war nicht so, wie es scheint.
Der vierte Film, der dann irgendwann Jahre später aus dem Lizenz-Fundbüro der Hollywoodstudios hervorgekrochen kommt, vereint Altes mit Neuem, möchte das Neue etablieren und dem Alten lebe wohl sagen. 
Oder war dem wirklich so? Diese Beschreibung passt nämlich viel mehr zu ‚Scream 5‘ als zu ‚Scream 4‘.

Bei ‚Scream‘ ging es nämlich in erster Linie immer nur um die Meta-Kommentare auf das eigene Genre als wirklich um die Charaktere, die Spannung, die Tode. Gewissermaßen war ‚Scream‘ damit äußerst modern, viele Jahre später sollten Serien wie ‚Community‘ oder Filme wie ‚Deadpool‘ Konzepte der Metaebene an den Mainstream bringen, aber ‚Scream‘ war gewissermaßen einfach einer der größten Vorreiter.

Scream (2022) © Paramount Pictures / Spyglass Media Group

Aus diesem Grund bin ich teilweise skeptisch an ‚Scream 5‘ herangegangen. Zum einen haben Scream 1-4 das Horror-Genre schon so sehr auseinandergenommen, dass ich keinen Raum mehr für weitere Meta-Erzählungen im Scream-Gewand gesehen habe, zum anderen war ich mir nicht sicher, ob nach dem Ableben von Wes Craven, dem Regisseur der Vorgänger, jemand anderes diese mit viel Humor selbstreflexiv betrachtende Essenz des Franchise weiterführen könnte.

‚Scream 4‘ war im Grunde schon eine perfekte Abhandlung der zynischen Reboot/Remake/Sequel Kultur im Slasher-Genre, also wie viel mehr kann uns ein ‚Scream 5‘ dann wirklich darüber erzählen? Was kann es mir über den Werdegang des Horror-Genre in den 2010ern erzählen, was über die Charaktere, die nun schon seit zwei Dekaden dieselben Scharaden immer wieder durchleben mussten?

Scream – Das Reboot

Der neueste ‚Scream‘ hält sich mit seinen Meta-Elementen am Anfang zurück. Weniger parodiert sich das Franchise selbst, sondern bietet die direkteste Antwort auf: „Mädchen ist alleine Zuhause und wird von einem Psycho-Killer attackiert“ seit dem ersten ‚Scream‘. Hier handelt es sich nicht um einen Film im Film, keine alten Charaktere werden hervorgekramt und mit den Erwartungen wird nur minimal, aber doch ziemlich erfrischend gespielt.

Scream (2022) © Paramount Pictures / Spyglass Media Group

Von dort an wird dem Zuschauer der neue Cast an Freunden, Mördern und später Ermordeten vorgestellt. Film Nerds, Jocks und heimlich Verliebte sind allesamt wieder am Start. Schnell geht es um den versuchten Mord aus der vergangenen Nacht, schnell wird überlegt, wer der Mörder sein könnte. Gegenseitige Anschuldigungen, Meta-Gespräche über Horrorfilme und sehr bald wieder ermordete Mitmenschen. Ziemlich passend, denn davon ausgehend, dass ‚Scream 5‘ sich nun einmal nur als ‚Scream‘ bezeichnet, ist dieser relative Neuanfang mit neuen Charakteren und neuen Problemen eine angenehme Abwechslung.

Aber an dieser Herangehensweise gibt es zwei Probleme. Zum einen ist die von Melissa Barrera gespielte Protagonistin Sam Carpenter ein wahrhaftes Charisma-Vakuum. In jeder Szene, egal ob sie wütend, traurig oder sogar glücklich sein soll, verhält sie sich gleich und steht immer mit demselben Gesichtsausdruck dar. Mir fiel es wirklich schwer, mich für sie zu begeistern, und ohne eine starke Hauptfigur, die ihren neuen Cast zusammenhält, ist es eben umso schwerer, sich darüber hinaus auch noch für ihre Freunde zu interessieren. Außerdem verliert man diese Freunde schnell aus den Augen, ab einem gewissen Punkt tauchen sie eine halbe Ewigkeit nicht mehr auf, bis sich die Handlung dann gegen Ende hin zuspitzt. Dann nimmt der Film auch wieder an Fahrt auf, der Supporting Cast ist einfach, um einiges dynamischer und interessanter anzusehen als die eigentliche Hauptfigur, aber die Durststrecken zwischendrin sind einfach zu trocken.

Scream (2022) © Paramount Pictures / Spyglass Media Group

Wenn es dann ans Eingemachte geht, dann macht ‚Scream 5‘ aber wirklich Spaß. Zwar sind die Verfolgungsjagden und der Spannungsaufbau nicht so dynamisch inszeniert wie in Wes Cravens Vorgängern, die Kamera klebt meistens viel zu nah an den Gesichtern der Schauspieler, aber trotzdem macht es bei den meisten Morden Spaß zuzusehen. Ghostface ist so brutal wie noch nie, die Morde haben stellenweise echten Unwohlsein bei mir ausgelöst und das ist eine Art von Hoch, die die vorherigen Teile nie bei mir erreichen konnten. Gleichzeitig ist ‚Scream 5‘ aber weiterhin auch höchst amüsant. Dumme Teenager unterhalten sich über die Regeln von Horrorfilmen und sterben trotzdem wie die größten Idioten. Sie beschuldigen sich gegenseitig, machen Anspielung auf andere Franchises und sterben aufgrund ihrer eigenen Ignoranz. Dabei wird die feine Linie zwischen „zu brutal“ und „zu lustig“ sehr schön entlang spaziert, sodass zumindest der Horror-Slasher Aspekt vom neuen ‚Scream‘ auf seiner banalsten Ebene spaßig mit anzusehen ist.

Scream 5 – Das Sequel

Und damit kommen wir aber langsam zum anderen Problem. Zwar versucht ‚Scream 5‘ ein Neuanfang für Scream-Fans zu sein, aber baut dabei dann doch zu sehr auf der Vergangenheit auf. Warum Sam zur Hauptfigur dieser neuen Mordreihe wird, halte ich mal außen vor, aber der Grund dafür und der letztendliche Einbezug der alten Charaktere lenken viel zu sehr von dem neuen Cast ab, als dass es sich wirklich um einen ernsthaften Versuch eines Neuanfangs handeln könnte.

Zugunsten von Nebenrollen für David Arquettes Dewy Riley, Courtney Cox‘ Gale Weathers und einen Auftritt von der ursprünglichen Hauptperson selbst, Neve Campbells Sidney Prescott, den Hauptfiguren aus den vorherigen Teilen, wird der Aufbau von etwas Neuem stillgelegt. Sobald die uns bereits bekannten Charaktere wieder ins Bild treten, verschwinden die neuen Figuren irgendwo in ihrer Irrelevanz, damit die Hollywoodlegenden möglichst cool ins Bild schreiten können, während eine extra lange und ziemlich irritierende Atempause inszeniert wird, um dem Kino Publikum zu ermöglichen, die Auftritte zu beklatschen und zu bejubeln.

Scream (2022) © Paramount Pictures / Spyglass Media Group

‚Scream 5‘ ist nun einmal kein ‚Scream‘ für eine neue Generation, sondern es ist doch nur ein ‚Scream 5‘, auch wenn es das nicht zugeben will. Oder zumindest ein Schritt zwischen einem Sequel und einem Reboot. Dem Alten wird nicht lebe wohl gesagt und dem Neuen wird nicht der Raum gegeben, um wirklich auf eigenen zwei Beinen zu stehen. Das weiß der Film natürlich auch. Er macht sich selbst lustig darüber, dass in der heutigen Hollywoodlandschaft immer wieder Jahre nach den letzten Teilen ein weiteres Sequel erscheinen muss. Ein Sequel ohne Nummer im Titel, aber ein Sequel, das trotzdem noch die Figuren aus den Vorgängern behalten muss, weil sonst ein großer Teil der Identität des Franchises fehlt. Ein “Requel” eben.

Der Film hält sich für unglaublich clever, weil er diese Tatsachen anspricht, aber hinter diesen Kommentaren steckt nichts von Relevanz. Keine ernst zu nehmende Kritik, keine Subversion dieser Erwartungen. Der Film ist genau das, was er selbst zu kritisieren scheint, aber das macht ihn nicht besser. Das macht ihn nur faul. ‚Scream 4‘ hat diesen Aspekt von Jahre zu spät kommenden „Requels“ besser auseinandergenommen, und das schon vor zehn Jahren.

Scream (2022) © Paramount Pictures / Spyglass Media Group

#NotMyScream

Deshalb stützt sich der neue ‚Scream‘ auf eine andere Ebene der heutigen Hollywood-Kultur. Und zwar nicht direkt die der geldhungrigen Sequel-Fabrikation, sondern die der toxischen Fangemeinschaften, die über die letzten Jahre vor allem durch polarisierende Filme wie ‚The Last Jedi‘ (2018) an öffentlicher Aufmerksamkeit gewonnen haben. Sogar Rian Johnson wird direkt als Regisseur von ‚Knives Out‘ erwähnt und sich im selben Zuge darüber lustig gemacht, wie er doch angeblich die Kindheit von Star Wars Fans mit seinem Beitrag zur Sequel Trilogie zerstört hätte. Selbst der Begriff „Mary Sue“ und die absolute Bedeutungslosigkeit dieser Bezeichnung wird aufgegriffen und belächelt.

‚Scream 5‘ macht sich lustig über die durch Reddit und 4-Chan radikalisierten Fans, die denken, dass Fans immer wissen würden, was das richtige für ihr kindheitsdefinierendes Franchise war. Die Fans, die denken, sie hätten einen Anspruch auf diese Franchises, das Recht zu definieren, wie diese aussehen, als beste zu wissen, was sie in der Vergangenheit ausgemacht hat und wie sie in der Zukunft weiterhin aussehen sollten. An sich ist das ein sehr interessanter Aspekt der modernen Blockbuster-Filmkultur. Ein Aspekt, dem man kaum entkommen kann, wenn man sich auf Internetforen wie eben Reddit oder auch einfach nur YouTube stark mit Filmen auseinandersetzt.

Scream (2022) © Paramount Pictures / Spyglass Media Group

Das Problem an diesem Aspekt der Meta-Diskussion ist, dass er für das Scream-Franchise in keiner Weise relevant ist. Hier wird nicht direkt auf den Status vom Scream-Franchise in unserer Welt Bezug genommen. Bei uns gab es nie einen ‚Scream‘ Teil, der eine andere Richtung für das Franchise eingeschlagen hat. Es gab nie einen Teil, der das Franchise „hintergangen“ hätte. Es gibt keinen Grund für Scream-Fans unzufrieden damit zu sein, wie es mit dem Franchise weiterging. Dieser ganze Aspekt der toxischen Fankultur trifft auf ‚Scream‘ nicht zu. Der Vergleich zu ‚Star Wars‘ und Rian Johnson ist aus dem heiteren Himmel gegriffen.

Der Film versucht diese Meta-Ebene im Bezug auf die toxische Fankultur innerhalb seiner Handlung zu rechtfertigen, aber aufzulösen, wie genau diese Rechtfertigung aussieht, verrät schon wieder zu viel. Der Punkt ist, dass diese Begründung nicht auf unserer Realität basiert, sondern vollkommen in der fiktiven Welt der Filmhandlung existiert – und nicht darüber hinaus.

Scream (2022) © Paramount Pictures / Spyglass Media Group

Hier wird nicht wie in den vorherigen Filmen der Status vom Franchise selbst kommentiert, sondern ein viel allgemeinerer, breiterer Aspekt des heutigen Internets. Dadurch verliert die Meta-Diskussion an Biss und an Relevanz. Die Stärke der vorherigen Filme war, dass jeder dieser Meta-Aspekte in sich relevant war und wirklich etwas über sich selbst und Hollywood zu sagen hatte – ‚Scream 5‘ hat nichts über sich selbst zu sagen. Für einen Film in einem Franchise, das komplett darauf basiert, sich selbst zu parodieren und kommentieren, ist es enttäuschend, dass für den neuesten Film nichts gefunden wurde, worüber man hätte diskutieren können.

Diese Abhandlung mit toxischen Fans ist trotzdem unterhaltsam sowie relevant für das moderne Internet und so unterhaltsam inszeniert, dass man Spaß mit dieser Ebene des Filmes haben kann, aber sie ist nicht so vollkommen, wie man es sich von einem ‚Scream‘ Film erwarten würde.

Scream (2022) © Paramount Pictures / Spyglass Media Group

Nummer 5

Also, um auf meine Fragen vom Anfang zurückzukommen: ‚Scream 5‘ hat nichts über den heutigen Stand von Hollywood-Horror zu sagen. Auch seine alten Charaktere werden nicht wirklich weiterentwickelt. Sie waren da, sie haben ihr Zeug gemacht, sie waren cool, aber sie hatten wirklich keinen Grund, mit dabei zu sein.
Im Grunde liegt es jetzt an den neuen Charakteren, die Handlung weiterzuführen, aber um diesen Punkt zu erreichen, hat es nicht die alten Charaktere gebraucht. Und wenn die Handlung wirklich weitergeht, dann war ‚Scream 5‘ nicht das Finale, für das es sich gibt.

Obwohl ‚Scream 5‘ mit seinem Namen (‚Scream‘ (2022)) versucht, so zu wirken, als wäre es ein ‚Scream‘ für eine neue Generation, fällt es genau in die Fallen, über die es sich selbst lustig macht. Es ist ein merkwürdiges Gemisch von alt und neu. Es behauptet zwar, es wäre ein Finale, aber das ist es nicht.
Was es ist, ist ein relativ lustiger Slasher Film mit brutalen Kills, aber ohne die Cleverness und dynamische Inszenierung von den Vorgängern. Ein Slasher-Film der für sich alleinstehend durchaus unterhaltsam ist, der aber nicht so sehr für sich alleinsteht, wie er es sollte.

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