Regisseurin Paola Cortellesi als regelmäßig in italienischen Komödien auftretende Schauspielerin erzählt in ihrem Spielfilmdebut von einem Italien nach dem Zweiten Weltkrieg. Die ebenfalls von Cortellesi gespielte Protagonistin Delia navigiert nach dem Krieg ihr fruchtloses Leben unter der Besatzung der Amerikaner, was aber viel weniger zum Vorschein tritt als die persönliche Unterdrückung durch ihren Ehemann und den allgemeinen patriarchalischen Strukturen Italiens. Meine Vorstellung für Morgen ist auch noch ein Tag fing mit einer kurzen Rede der Vorsitzenden des örtlichen Deutsch/Italienischen Vereins an, die von dem massiven kulturellen Wert des Films in Italien erzählt und wiederholt angemerkt hat, dass es sich hier um einen italienischen Film handle, der mit Barbie und Oppenheimer in die Geschichtsbücher eingehen würde. Ähnlich wie bei Barbie und dem für mich vollkommen uninteressanten Oppenheimer habe ich das Kino insbesondere nach einer solchen Ansprache, eher verwirrt verlassen müssen. Vielleicht aus einer unbewussten Arroganz gegenüber italienischen oder weiblichen Empfindlichkeiten, die ich als in Deutschland aufgewachsener Mann einfach nicht verstehe, vielleicht aber auch einfach, weil Morgen ist auch noch ein Tag nicht ganz so viel zu sagen hat, wie es den Anschein hat.
Die ganze Geschichte spielt vor dem Hintergrund der Wiederherstellung der italienischen Identität nach dem Zweiten Weltkrieg und das ist auch der Punkt, an dem der Film am meisten glänzt. Dank der subtileren Darstellungen der politischen Revolution, die konstant, aber eher unterschwellig im Hintergrund stattfindet, findet der Film eine Art der zeitlosen Identität. Unabhängig vom spezifischen Nachkriegssetting lassen sich so einige der Situationen und der allgemeine Inhalt auf die Gegenwart oder voraussichtlich auf die noch fernere Vergangenheit übertragen. Der Film mag in einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Tag spielen, seine allgemeine Konzeption und Diegese mag sehr von dieser zeitlichen Rahmung inspiriert sein, aber es wird nun mal auch eine zeitlose Geschichte erzählt. Und die Art und Weise, wie die politischen und ästhetischen Aspekte dieser Zeit behandelt werden, macht diese Zeitlosigkeit noch viel deutlicher.
Der Zuschauer wird durch Schwarz-Weiß-Bilder und altmodische Musik in die Realitätsdarstellung des Films hineingezogen. Die Art und Weise, wie sich die Menschen kleiden, wie die Stadt aussieht und wie sie sich verhalten wird, erinnert offensichtlich an vergangene Zeiten, was in einigen Momenten unterlaufen wird, da der Soundtrack gelegentlich dazu neigt, seine Bilder durch moderne und englischsprachige Musik zu unterstützen. Die Bedeutung des Ausbruchs aus den etablierten Normen des alten Italiens wird also vermittelt, indem eine Art des sensorischen Kontrasts provoziert wird, aber hier kommt es auch zu einem Problem. Es gibt andere Momente im Film, vor allem gegen Ende, in denen es gelingt, ältere italienische Lieder so zu verwenden, dass sie die emanzipatorische Kernerzählung unterstützen. Der Film bedient sich hier also zweierlei inszenatorischer Kernideen. Dem Kontrast und der vollkommenen Hingabe gegenüber dem Setting, wobei auftretende Kontraste gewissermaßen störend wirken können, wenn der Rest des Films auf eine möglichst authentische Darstellung des historischen Zeitraums bedacht ist. Letztendlich wird durch diese Musikauswahl aber auch ein Aspekt der Zeitlosigkeit deutlich. Der wohl charmanteste Aspekt des Films in seiner Zeitlosigkeit trifft also gewissermaßen mit dem implizierten Realismus in Konflikt.
Der beeindruckendste Moment des Films ist vielleicht eine einfache Szene zwischen zwei verschiedenen Familien, die sich ähnlicher sind, als sie denken. Die Spannung, die dort aufgebaut wird, besteht darin, dass unsere Hauptfigur versucht, sowohl die patriarchalischen Erwartungen der Herren am Tisch zu erfüllen, als auch ihre Tochter vor den gehobenen Gästen so gut aussehen zu lassen wie nur möglich. Es geht alles schief, was schief gehen kann, aber die Gäste lassen sich keine negativen Reaktionen anmerken. Die Situation bleibt ungewiss. Es gibt eine Menge Hin- und Her, leichte Eskalationen, die lustig sein können, aber vor allem Stress auslösend sind. Das ist vielleicht die einzige Szene, in der der Ehemann als Haupt-“Antagonist” im Sinne einer Repräsentation der patriarchalischen Werte wirklich funktioniert. Das Potenzial dessen, dass ein weiterer Fehltritt in häuslicher Gewalt enden könnte, hängt über der gesamten Szene wie das Schwert Damokles‘. Das liegt nicht nur daran, dass wir die Misshandlung durch den Ehemann fürchten, sondern auch an der Situation, an der Peinlichkeit und den gesellschaftlichen Erwartungen, an der Notwendigkeit, vor den vermeintlich anspruchsvolleren Gästen vorzeigbar und ordentlich auszusehen. Es geht darum, den Ehemann vor den anderen nicht schlecht aussehen zu lassen. Es geht darum, allein für Dinge verantwortlich zu sein, für die man als Frau nie alleine verantwortlich sein sollte.
Die Spannung des potenziellen Missbrauchs ist jedoch nicht wirklich ein durchgängiges Thema im Film. Es wird sofort klar, dass der Ehemann nicht davor zurückschreckt, seine Frau herabzusetzen, zu beleidigen oder sogar körperlich zu misshandeln – ein Aspekt des häuslichen Lebens der Hauptfigur, der meist als Witz behandelt wird. Dass er seine Frau mit Prügeln in Zaum halten möchte, ist nicht wirklich ein großer dramatischer Punkt, es wird stilisiert, es wird ins Lächerliche gezogen, es wird abgetan, als sei es nichts, weil wir unsere Hauptfigur nicht leiden sehen dürfen. Ausartende Gewalttaten werden nie explizit gezeigt. Man könnte argumentieren, dass die Tatsache, dass wir nicht in der Lage sind, die eigentliche Gewalttaten zu sehen, eine weitere Art der ironischen Inszenierung ist. Das Leiden der Frauen wird nicht gezeigt, damit abgeschwächt und so unter Umständen ironisch darauf hingewiesen, dass diese Art von Gewalt allgegenwärtig war, aber nicht allgemein von jedem gesehen werden sollte. Also eine bewusste Entscheidung mit narrativer Funktion, aber auch eine verpasste betrachten, den Ehemann tatsächlich als einen Mann zu etablieren, den man fürchten muss. Stattdessen sehen wir ihn als Witzfigur, was vielleicht viel demütigender ist, aber nicht wirklich funktioniert, wenn viele dramatische Szenen darauf aufbauen, ihn als eine Bedrohung darzustellen.
Eine ähnlich schwache Figur bzw. eine Reihe von schwachen Figuren sind die Kinder der Hauptfigur. Abgesehen von der Tatsache, dass sie alle letztlich nur aus Papier bestehen, ist es ein aktives Augenrollen wert, wenn man sieht, wie die Tochter ihr Leben meistert. Sie ist genauso ein Opfer des Patriarchats wie ihre Mutter, aber sie wird von jugendlichem Optimismus und Wut auf ihre Mutter angetrieben. Wir sehen diese sehr naive junge Frau, die genau die gleichen Dinge tut, die sie bei ihrer Mutter kritisiert, was vielleicht auch nur ein weiterer Teil der Darstellung der subtileren Wege des Patriarchats ist, die Frauen indoktrinieren, aber wir haben hier auch die Perspektive der Mutter zu betrachten. Die Mutter, die sich angeblich selbstlos für ihre Tochter aufopfert, womöglich auch für ihre beiden Söhne, wobei diese so irrelevant sind, dass man kaum einschätzen kann, ob sie die Söhne überhaupt liebt. Die Mutter, von der immer wieder gezeigt wird, dass sie sich behaupten kann, dass sie bissig ist, dass sie sich wehren kann, dass sie sagt, was sie meint, dass sie ihr Ding durchzieht, außer wenn es um ihren Mann geht. Und das ist vielleicht mein größtes Ärgernis an dem Film.
Die Mutter steht nicht so sehr im Mittelpunkt. Vielleicht fehlt mir einfach die weibliche oder italienische Perspektive, aber ich kann ehrlich nicht sagen, dass ich ihren Charakter verstehe. Die Inkohärenz zwischen dem, wie sie sich gegenüber den Menschen und dem, wie sie sich ihrem Mann gegenüber verhält, konnte ich einfach nicht nachvollziehen. Ich nehme an, wir sollen glauben, dass eine Ehefrau ihrem Mann gegenüber einfach so loyal sein muss, aber wir haben so viele tolle Momente, in denen sie von anderen, viel freieren und vermeintlich glücklicheren Frauen umgeben ist, die als gute Beispiele dafür dienen könnten, was sie in ihrem Leben zu korrigieren hat. Immer wieder wird uns gezeigt, dass sie den Charakter hat, ihren Mann zu untergraben, andere Menschen zu benutzen, zu sagen, was sie denkt und will. Selbst wenn es sich um Männer handelt. Sogar wenn es ihre Tochter ist.
Morgen ist auch noch ein Tag hat viele gute Seiten, aber genauso viele, die mich schlichtweg enttäuscht haben. Das Ende ist ziemlich charmant, die Comedy funktioniert und die Präsentation ist letztlich charmant, auch wenn die zugrunde liegende Inszenierung des Films nicht ganz ausgearbeitet scheint. Am schlimmsten waren die Charaktere, aber ich sehe hier durchaus das Potenzial für etwas wirklich Gutes. Vielleicht wird der nächste Film von Paola Cortellesi ein Film, der an das ansetzt, was hier gut ist. Schließlich war heute sicher nicht ihr einziger Versuch an einem Spielfilm und morgen ist ja auch noch ein Tag.