Covid-19, das Kino und Tenet (Christopher Nolan, 2020)

Tenet
© Warner Bros.

Es ist jetzt gute sechs Monate her, dass ich zuletzt im Kino war. Über die letzten zwei Jahre wurde es für mich zur Gewohnheit, monatlich, wenn nicht wöchentlich, dem Kino einen Besuch abzustatten. Das war eine schöne Entwicklung, die mich geprägt hat. Ich habe viele Kinos in München besucht (an der Stelle eine Empfehlung an das Monopol), viele Filme gesehen und umso mehr Interesse an independent Kinos wie Filmen gewonnen. Ich habe gelernt, allein den Kinosaal zu betreten und mich weniger abhängig vom sozialen Aspekt eines Kinobesuches zu machen, was mir im selben Zuge erlaubt hat, mehr verschiedene Filme zu sehen, weil es nicht mehr wichtig war, jemanden zu finden, der oder die denselben neuen Geheimtipp sehen wollte. Die Bahnfahrt zum Kino wurde zu einem Ritual, das mich immer wieder glücklich gemacht hat. Als jemand, der sehr viel Zeit in der Gegend um sein Zuhause herum verbringt, ist es immer wieder schön, mal einen anderen Stadtteil zu besuchen, dann vielleicht eines der dortigen Restaurants auszukundschaften und dann später mit Freunden wieder dorthin zurückzukehren. Der Film selbst war nicht mehr nur Eskapismus von der Welt, sondern auch der Weg zum Film, eine Flucht vom trägen Alltag und seiner Umgebung.

Dann kam Covid-19. Erst wurde der neue Bond verschoben, und schon schnell wurden alle möglichen, für 2020 angesetzten Filme in die zweite Hälfte des Jahres oder gar 2021 gedrängt. Gewissermaßen traurig für mich, denn meinen am meisten erwarteten Film Edgar Wrights „Last Night in Soho“ werde ich jetzt wohl erst im April, anstatt in einem Monat zu sehen bekommen. Wie dem auch sei, Sicherheit geht vor, die Kinos und die Schule wurden geschlossen, kein Kino für mich. Auch keine Schule für mich, dafür aber ein paar Monate später einen verkorksten Schulabschluss ohne Reisen nach Skandinavien oder England. Die Monate vergingen, gelangweilt und an München gebunden, und so wird es in nächster Zeit auch weitergehen. Freunde verreisen von Corona unbeeindruckt, und ich versuche mir meine Tage mit Büchern, Filmen und Videospielen zu vertreiben. Irgendwann kann man das eigene Zimmer dann auch nicht mehr sehen, den Punkt habe ich eigentlich schon vor guten vier Jahren erreicht. Also schön. Es ist Ende August und ich langweile mich. Ich muss zugeben, dass ich Nolan nie wirklich geschätzt habe, aber einfach, um wieder ein bisschen Spannung in mein Leben zu bringen, will ich Tenet sehen. Endlich wieder in die Stadt, wieder in das Kino, eine kurzzeitige Rückkehr in ein früheres Leben.

Also sitze ich endlich wieder im Kino. Viel Abstand zwischen den Besuchern. In dem Sinne erstaunlich angenehm. An kleinere Kinos gewöhnt werde ich fast schon von der viel zu langen Werbezeit erschlagen, aber ich stehe es durch, ich bin ja schließlich endlich im Kino. Nach einer viel zu langen Wartezeit fängt es an. Ich bin etwas gestresst, weil mir auffällt, dass alle anderen Kinobesucher ihre Masken abgezogen haben. Für den Rest des Films bin ich mir nicht sicher, ob ich meine Maske nun anbehalten soll oder nicht, weshalb ich sie in unregelmäßigen Abständen immer wieder auf- und abziehe. Nach ein paar Minuten drängen sich meine Sorgen aber in den Hintergrund und meine Gedanken widmen sich dem Film. Stimmt ja, ich schreibe eigentlich über Filme.

Tenet fängt direkt in der Action an, bietet einem dabei wenig Zeit nachzudenken, und das zieht sich eigentlich durch den ganzen Film. Wo anfangs das starke Soundmixing und energetischer Soundtrack von Ludwig Göransson, der seit Community (2009-2015) weit gekommen ist, einen in den Bann ziehen, verliert das Ganze seinen Effekt ziemlich schnell. Irgendwann fängt die Musik an, einen zu nerven. Irgendwann werden die akustisch schwer zu verstehenden Dialogen nervig. Irgendwann bemerkt man, dass Nolan mit Tenet wieder einen typischen Nolan-Film abgeliefert hat. 

Die Charaktere sind hauchdünn und uninteressant, im Grunde dienen sie nur als ein Vehikel durch die verschiedenen Actionsequenzen. Actionsequenzen, die nicht einmal besonders spannend sind. Klar, sie sind schön anzusehen, weil Nolan wieder einmal stark auf praktische Effekte setzt, was den Zuschauer mehr in das Geschehen hineinzieht als bombastische CGI Schlachten, aber das hilft auch nicht, wenn weder die involvierten Charaktere noch die Actions selbst von sich überzeugen können. Mehr als ein „Ich frage mich wie, viel Arbeit in diese Szene gesteckt wurde…“, löst Nolan nicht in mir aus.

Ich bin auch nicht überrascht. Von Nolans anderen Filmen ausgehend habe ich genau das bekommen, was ich erwartet habe. Nichts, über das ich in Zukunft jemals wieder nachdenken muss, es ist kein „The Lighthouse“ oder „Frances Ha“, aber immerhin ist es auch kein „The Rise of Skywalker“. Nolans Filme sind immer okay. Sie sind nie schlecht, aber auch nie wirklich gut. In seinen Handlungen stehen immer der Bombast und meist irgendein Gimmick im Vordergrund, aber nie die Menschen. Und so wird mich Nolan nie abholen können.

Also war ich im Kino, um für kurze Zeit in ein pre-Corona Leben zurückzukehren, habe mich dabei wahrscheinlich selbst noch angesteckt und den Film nicht einmal unbedingt genossen. Und das ist eigentlich das Spannende an dem Ganzen. Es geht sicher vielen Menschen so wie mir. Viele Menschen werden trotz des Risikos ins Kino gehen, um endlich wieder eine Kinoerfahrung zu sammeln. Deshalb werden viele Studios ihre Augen auf das Box Office Tenets richten. Tenet ist der erste große Film, der es seit dem Ausbruch von Covid wieder in die Kinos geschafft hat. Während die meisten großen Filme noch ein paar Monate warten, bevor sie auf die Leinwand kommen, zieht Tenet voraus. Nolan wird die Frage vieler Anzugträger beantworten. Die Frage, ob es sich lohnt, die neuesten Blockbuster in den Kinos anlaufen zu lassen. Nicht, weil sie darauf warten, ob die Pandemie dadurch noch schlimmer wird, nein, sie wollen nur wissen, ob genug Verbraucher dazu bereit sind, ihre Leben zu riskieren, nur um der Hollywoodmaschine ihr Geld zu geben.

Der nächste Film, den ich auf der großen Leinwand sehen möchte, ist Denis Villeneuves „Dune“. Mal schauen, wie viel sich in vier Monaten geändert hat. Solange freue ich mich auf Charlie Kaufmans neuen Film „I’m Thinking of Ending Things“, den ich dank Netflix auch Zuhause gucken kann. 

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