Review – Jujutsu Kaisen 0 (Sunghoo Park, 2021)

JUJUTSU KAISEN 0 © Gege Akutami / Shueisha / TOHO Animation / Mappa / KAZÉ

Die Jujutsu Anfänge

Ende 2020 startete “Jujutsu Kaisen”, die Anime Adaption von Gege Akutamis gleichnamigen Manga. Studio Mappas animierte Umsetzung von Jujutsu Kaisen explodierte in seiner Popularität und zog nicht nur massenweise Zuschauer an, sondern sorgte auch für ein erhöhtes Interesse an dem Manga und verhalf diesem so zu Rekordverkäufen in sowohl Japan als auch im Westen.

Wenig überraschend wurde kurz nach dem Ende der ersten Staffel des Anime eine Film-Adaption des Manga-Prequels angekündigt. Letzten Endes würde dieser Film wieder einen massiven Kassenerfolg darstellen und gleichzeitig gewisse Lücken aus der ersten Staffel des Anime schließen. Einige Monate nach der Veröffentlichung in Japan ist es auch in Deutschland so weit, Jujutsu Kaisen 0 hat im Zuge der KAZÉ Anime Nights seinen Weg in deutsche Kinos gefunden.

Ich selbst als nicht-mehr-ganz-so-begeisterter Anime Enthusiast war überraschend begeistert von Jujutsu Kaisen, sowohl dem Anime als auch dem Manga. Wo mich andere moderne Genre Vertreter wie ‚Demon Slayer‘, ‚My Hero Academia‘ oder ‚Black Clover‘ nicht beeindrucken konnten, stach Jujutsu Kaisen positiv heraus. Schon die ersten Trailer zum Anime konnten mich mit der leicht düsteren Atmosphäre, energiegeladener Musik und unerwartet Erwachsen aussehenden Charakteren überzeugen. Ein modernes Tokyo, Flüche, Kämpfe, Schulen für Magier und sympathische Charaktere. Es hat nur wenige Episoden des wöchentlichen Schauens gebraucht, bis auch ich den Manga in die Hand genommen und gelesen habe. Angefangen mit Jujutsu Kaisen 0, dem ersten Band des Franchise, was sich zwar als Prequel bezeichnet, aber viel mehr den wahren Anfang der Handlung darstellt.

Schließlich hat Autor Gege Akutami das vermeintliche Prequel nicht nur vor dem eigentlichen Manga konzipiert, sondern auch veröffentlicht. Jujutsu Kaisen 0 war nämlich nicht als Nummer null und Prequel gedacht, sondern als eigenständige Handlung. Quasi ein One-and-done. Nach dem Erfolg des One-Offs folgte allerdings der Nachfolger beziehungsweise die eigentliche Saga von Jujutsu Kaisen. Eine Geschichte, die nicht nur Jujutsu Kaisen 0 als skizzenhaften Vorgänger retroaktiv verbessern würde, sondern eben auch an die Charaktere und Welt anschließen sollte.

JUJUTSU KAISEN 0 © Gege Akutami / Shueisha / TOHO Animation / Mappa / KAZÉ

Als ich meine Manga-Eskapade also mit Jujutsu Kaisen 0 beginnen sollte, war ich doch leicht enttäuscht von der Handlung. Sehr episodenhaft erzählt, fast schon zusammenhangslos mit einer groben Rahmenhandlung versehen und dann in einem Finale endend, das aufgrund des fehlenden Aufbaus und zu kurz kommenden Charakteren nicht wirklich seine ganze Wirkung entfalten konnte. Alles in allem ein grober Anfang für einen ziemlich großartigen Manga und Anime. Ein offensichtlicher Prototyp.

Das bringt uns zu der Film Adaption. Veröffentlicht nach der ersten Staffel des Anime war das der perfekte Zeitpunkt, um zu diesem Prototypen zurückzukehren und der Geschichte rund um ‚Okkotsu Yuta‘ und seinem Rachegeist ‚Rika‘ den gewissen Feinschliff zu verleihen, der das Potenzial seiner Welt und Handlung vollkommen gerecht wird.

JUJUTSU KAISEN 0 © Gege Akutami / Shueisha / TOHO Animation / Mappa / KAZÉ

Magie in Tokio

Dann einmal zur Welt und Handlung: In einem kontemporären Tokyo sind Flüche real. Es gibt Menschen, die mit magischen Fähigkeiten gesegnet sind und dadurch diese Flüche wahrnehmen und beseitigen können. Während sich die Anwesenheit von diesen bei normalen Menschen höchstens durch Intuition und negative Gefühle spüren lässt, gibt es eine Reihe an ausgebildeten Magiern, die ohne das Wissen der Allgemeinheit dafür sorgen, dass die Menschheit von den Flüchen unberührt bleibt.

Okkotsu Yuta, ein sechzehnjähriger Schüler, ermordet aus Versehen aufgrund eines ihm angebundenen Rachegeistes Mobber aus seiner Schule. Dies wird von den verantwortlichen Magier-Oberhäuptern bemerkt und anschließend die Hinrichtung des Jungen angesetzt. Ein Lehrer der Tokyo-Magie-Akademie, Gojo Satoru, setzt sich allerdings dafür ein, dem Jungen eine weitere Chance zu geben. Unter der Bedingung, von ihm in der Schule ausgebildet und zu einem meisterhaften Magier zu werden.

JUJUTSU KAISEN 0 © Gege Akutami / Shueisha / TOHO Animation / Mappa / KAZÉ

Jujutsu Kaisen 0 erzählt die Geschichte von Yuta, seinem Rachegeist Rika, und seinen Klassenkameraden. Es gilt über seine Unsicherheiten und Traumata hinauszuwachsen und sein volles Potenzial auszuschöpfen. Im Grunde eine einfache Coming-of-age Story im Action-Anime Gewand. Dabei strukturiert der Film eine Reihe von Missionen aus Yutas anfänglichen Bemühungen an der Magie-Akademie wie einzelne Anime Episoden. Diese kleinen Geschichten sind fast unabhängig im Bezug auf den Klimax des Films und vollkommen den Beziehungen Yutas zu seinen einzelnen Klassenkameraden gewidmet.

Dieser Aufbau tut dem Pacing keine Gefallen, wenn man diese einzelnen, abgehackten Episoden betrachtet, sie ihre Geschichte erzählt haben, das Bild in Schwarz blendet und kurz darauf ein weiterer, gefühlt separater Abschnitt der Geschichte ansetzt. Diese Geschichten dienen größtenteils der Charakterentwicklung Yutas von hilflosem Jungen zu einem fähigen Kämpfer, was in den zu kurzen Handlungsteilen wenig mitreißend erzählt wird.

Dazwischen wird immer mal wieder die Vergangenheit Yutas und Rikas angerissen, um der Geschichte eine durchaus nötige emotionale Gewichtung mitzugeben. Es fällt allerdings schwer, diese ernst zu nehmen und ist sogar an vielen Stellen so unabsichtig lustig, dass neben mir selbst auch einige andere Kinobesucher lachen mussten, als Yuta und Rika ihre Momente hatten. Zwei Sandkastenfreunde, Liebe, ein Fluch und dann ein Rachegeist. Alles Zutaten, die je nach Stimmung des Zuschauers möglicherweise zu ernsthaft behandelt werden, als dass man es dann wirklich so ernst nehmen kann, wie die Handlung es von einem abverlangt. Zumindest fällt es mir schwer übertrieben Klischee entsprechenden Anime Todes Szenen als direkte Folge auf einen Kindergarten Heiratsantrag zu sehen, ohne mir der Lächerlichkeit der Situation bewusst zu werden.

JUJUTSU KAISEN 0 © Gege Akutami / Shueisha / TOHO Animation / Mappa / KAZÉ

Also, Yutas Entwicklung. Innerhalb der ersten dreißig Minuten findet sich Yuta also in einer Situation wieder, in der es heißt, selbst Hand anzulegen, sich zu beweisen und für das einzustehen, woran er glaubt. Was im Grunde bedeutet, seine leicht merkwürdige Verbindung zu Rika auszunutzen. Die Musik baut sich auf, die Charaktere stoßen an ihre Grenzen und die Dramatik wird an ihre Spitze getrieben … und das nachdem nicht einmal ein Drittel der Laufzeit vorüber ist. Als Anime Episode wäre das eine runde Sache, als Manga Kapitel ein solides Ding, aber als Teil eines Films fühlt man sich nach wenigen Minuten schon so, als hätte man Yutas Charakterentwicklung bereits abgehakt. Die Handlung treibt die Spannung schon so früh viel zu weit auf die Spitze, sodass man zu wenig Zeit hat, um sich in die Welt und die Charaktere einzufühlen. Die Spannung verlangt schon viel zu früh von einem ab, sich tiefgehend für das zu interessieren, was einem gerade gezeigt wird. Ein Moment, der sonst für ein großes Finale aufgespart worden wäre, wird hier bereits im ersten Drittel des Films gezündet und explodiert dem Zuschauer förmlich ins Gesicht.

Keine dieser Episoden ist dabei so unzufriedenstellend wie die erste, aber die Struktur bleibt weiterhin wie ein Klotz am Bein der Erzählung. Zumindest bis zum Finale, wenn endlich die Bösewichte aus dem Schatten treten und ihre Intentionen auf den Tisch legen. Sobald die Action an Fahrt aufnimmt und man sich das klassische Gut gegen Böse auf der Kinoleinwand zugute führt, gewinnt auch der Film endlich an einer fortlaufenden Handlung und einem Sinn dafür, worauf das Ganze eigentlich hinauswill. Schade ist wieder nur, dass die Gegenspieler so lange im Schatten Blubberbläschen geblasen haben, dass man sich bis auf eine extrem rudimentäre Erklärung nicht wirklich im Klaren darüber ist, warum es eigentlich zu dem großen Kampf kommt.

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Hier kommen nämlich die Charaktere zu kurz. Zum einen Geto, der große Antagonist, der normale Menschen ohne magische Fähigkeiten so sehr als minderwertige Wesen verabscheut, dass er sie auslöschen will, zum anderen seine Mitstreiter. Ein paar junge Mädchen, die bis auf ihr Alter nur noch an einer Stelle weiter charakterisiert werden und ein paar andere blutrünstige Mörder, die bis zum Ende bloße Umrisse bleiben und nie an Farbe bekommen.

Der Konflikt der Handlung ist dadurch wenig interessant. Bis auf den grundsätzlich empathischen Gedanken, dass Massenmord durch böse Magier wohl am besten verhindert werden sollte, kommen hier wenig emotionaler Tiefgang oder interessante Gedankengänge zum Vorschein, die zu einem emotionalen und intellektuell stimulierenden Finale führen würden. Somit stützt sich der dritte Akt vor allem auf flüssig anzusehende und gut choreografierte Action, anstatt die Laufzeit dafür zu nutzen, auf ein wirklich gut konstruiertes Finale hinzuarbeiten.

JUJUTSU KAISEN 0 © Gege Akutami / Shueisha / TOHO Animation / Mappa / KAZÉ

Unberührt

Aufmerksame Leser werden realisiert haben, dass all die von mir angesprochenen Kritikpunkte genau die sind, die ich auch auf die Manga Vorlage zum Film gerichtet habe. Weitestgehend bleibt der Film seiner Vorlage nämlich extrem treu. So treu, dass die ohnehin schon in mehrere Kapitel aufgeteilte Struktur im Kontext eines Kinofilms stärker ins Gesicht fällt. Es wurde sich wenig Mühe gegeben, sich die Vorlage anzuschauen und in der Adaption ein Prozess der 1:1 nie sein Potenzial ausschöpft und Lücken zu füllen, die perfekt hätten gefüllt werden können.

Nicht einmal die Betadesigns von Toge, einem von Yutas Klassenkameraden oder anderen Charakteren, wurden so angepasst, dass sie besser in die tatsächliche Handlung passen. Der Autor hatte die Designs aus 0 nämlich extra für die Hauptreihe geändert, da ein paar der Charaktere dem neuen Cast aus dem Sequel etwas zu ähnlich sahen. Klar, es gibt immer einen lauten Teil der Fanbase, der auch nur bei der kleinsten Änderung zur Vorlage auf die Straße geht, aber in einem Fall wie diesen ist es nur eine verpasste Chance, Jujutsu Kaisen 0 nicht doch nahtloser in die Haupthandlung übergehen zu lassen.

So befindet sich Jujutsu Kaisen 0, der Film in einer merkwürdigen Position. Einerseits ist er eine direkte Adaption, macht an sich nichts falsch, hat unterhaltsame Charaktere, klasse Musik und energiegeladene Action, so wie der Anime selbst, andererseits ist er ein Sinnbild für eine uninspirierte Adaption.

JUJUTSU KAISEN 0 © Gege Akutami / Shueisha / TOHO Animation / Mappa / KAZÉ

Gegen Ende kriegen mehrere Charaktere aus dem Sequel-Anime dann ein paar Cameos, die zwar nicht in der Vorlage waren, sich aber nahtlos an etablierte Fakten aus zukünftigen Arcs halten und so einen sinnvollen Platz, eine sinnvolle Erweiterung des Materials darstellen. Gleichzeitig kommt der Konflikt aus dem dritten Akt ohnehin schon so aus dem nichts und ist derartig unterentwickelt, dass diese Cameos den Ofen zwar heißer brennen lassen, aber dann trotzdem keinen weiteren Sinn in der ohnehin schon sinnfreien Spannungseskalation haben.

Immerhin hat der Film dann doch versucht, hier etwas anders und besser zu machen. Auch wenn der Jujutsu Kaisen 0 letzten Endes nicht einmal zu verstecken zu versucht, dass es sich bei diesen wenigen extra Szenen nur um Fanservice handelt. Es hätte viele Wege gegeben, diese Cameos besser zu integrieren, die Handlung besser zu strukturieren, aber es wurde der einfachste Weg genommen, die Vorlage zu adaptieren.

JUJUTSU KAISEN 0 © Gege Akutami / Shueisha / TOHO Animation / Mappa / KAZÉ

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