Die Deutsche Synchronkultur

Deutsche Synchronkultur
© SEGA / Paramount

David Nathan, Marius Clarén und Santiago Ziesmer. Alles Synchronsprecher, die meine Liebe zum Film und Fernsehen zutiefst geprägt haben und mir womöglich überhaupt erst erlaubt haben, meinen Weg in das Medium Film zu finden. Heutzutage sieht das Ganze aber etwas anders aus. Ich verstehe Englisch, schreibe teilweise konsequent auf Englisch mit meinen Freunden und gucke Filme auf Englisch. Selbst asiatische Produktionen gucke ich mittlerweile nur noch in der Originalsprache. Irgendwann habe ich also die deutsche Synchronisation hinter mir gelassen und suche mir heutzutage bewusst Film Vorstellungen im O-Ton, um gar nicht erst mit der deutschen Synchronisation konfrontiert werden zu müssen. Aber woran liegt das?

Es lassen sich viele verschiedene Gründe dafür anführen, warum sich meine Vorlieben auf so eine Art und Weise entwickelt haben. Zum einen kommt es zum Argument der Authentizität. Filme in der Originalsprache repräsentieren nun einmal das, was sich das Team hinter dem Film vorgestellt hat, eine ungefilterte Präsentation des Endproduktes. Und das kann durchaus einen Unterschied machen. So viel Arbeit auch in die Übersetzung eines Dialogbuches gesteckt wird, umso weiter kann der deutsche Dialog sich vom Original entfernen. Das Beispiel Komödie: Wie viele Komödien funktionieren in der Übersetzung so gut wie im Original? Was soll eine Übersetzung dann tun, den Witz eins zu eins übersetzen oder einen neuen, meist schlechteren Witz erfinden? In Folge sechs der fünften Staffel der Netflix Serie „BoJack Horseman“ (2014-2020) teilt der Protagonist dem Zuschauer im Laufe eines sich über die ganze Folge erstreckenden Monologes seine Gedanken und Gefühle mit. Der emotionale Höhepunkt wird erreicht, wenn „I see you“ zur Sprache kommt auf Deutsch: „Ich sehe dich“. Das Problem: Die dramatische Ironie der Szene geht so vollkommen verloren, denn „I see you“, könnte auch als „ICU“ aufgefasst werden, einer „Intensive Care Unit“ einer Intensivstation. Der Protagonist bekam diese Worte in einer Intensivstation zu hören. Und was sind die schöneren letzten Worte einer Mutter? „Ich sehe dich“ oder „Intensivstation“?

Dieses Problem lässt sich schwer lösen. Egal wie gut Tobias Kluckerts Performance als BoJack Horseman nun sein mag, diese unübersetzbare Doppeldeutigkeit im Dialogbuch ist nicht zu übersehen. Ein wichtiger Aspekt der gesamten Folge, wenn nicht der wichtigste Aspekt geht dabei verloren.

Nun gut, solche Dinge muss man manchmal wohl hinnehmen, wenn man in dem Komfort der eigenen Sprache leben möchte. Außer wenn das schwer möglich ist. In manchen Fällen kann die Synchronisation einen so aus dem Film reißen, dass der gesamte Film dadurch schlechter wird. Dabei anzumerken ist, dass es einigen Synchronisationen auch gelingt, einen Film aufzuwerten, wie zum Beispiel im Fall von Wanja Gerick als Anakin Skywalker in den Star Wars Prequels, oder stellenweise auch Marius Clarén, der dem manchmal recht emotionslosen Tobey Maguire neue Tiefen verleiht. 

Aber in diesem Fall geht es um die schwarzen Schafe der Synchronisation, wie zum Beispiel „The Gift“ (2000). Die Auswahl an passenden Synchronstimmen ist schwer. In der modernen Filmwelt umso schwerer, da aufgrund schlechter Zeitplanung verschiedene Sprecher gar nicht zur Verfügung stehen und so in letzter Sekunde ersetzt werden müssen oder den Sprechern das passende Bild zum Text gar nicht erst gezeigt wird, um Leaks zu vermeiden, was so Einfluss auf die Performance der Sprecher haben kann. In manchen Fällen münden die Probleme mit der passenden Synchronstimme dann in unangenehmen Erfahrungen, die einem aus dem Film reißen. Neben der billig klingenden Produktion, die an TV-Produktionen wie „X-Faktor: Das Unfassbare“ (1997-2002) erinnert, ist nun einmal auch die Gewohnheit ein großer Faktor in der Synchronisation. Denn Keanu Reeves wird in dem Film nicht von Benjamin Völz, sondern von Ole Pfennig gesprochen. Das Gefühl, ein bekanntes Gesicht mit einer unbekannten Stimme zu hören, ist schwer zu überwinden. Vor allem wenn dem persönlichen Empfinden nach die neue Stimme gar nicht zum Gesicht passt. In manchen Fällen kann das aber ganz gut gelingen, wie zum Beispiel im Falle von Clint Eastwood, der über die Dollar Trilogie hinweg auch von verschiedenen Sprechern gesprochen wurde, oder dem neueren Beispiel von Homer Simpson, der früher von Norbert Gastell und heute von Christoph Jablonka gesprochen wird. Aber wenn es nicht klappt, dann leidet der ganze Film darunter. Ein Drahtseilakt der Filmsynchronisation.

Aber auch andere Aspekte können einen dazu verleiten, eine bestimmte Stimme nicht akzeptieren zu wollen. In der modernen Synchronkultur wird bei der Suche nach Synchronsprechern oftmals auf Promis zurückgegriffen. Das für mich persönlich größte Negativbeispiele dafür ist die Performance von „Gronkh“ oder auch Erik Range in „The Lego Batman Movie“ (2017). Während in früheren Trailern noch Bodo Wolf als Synchronstimme für den Joker zu hören war, wurde er letzten Endes durch Erik Range ersetzt. Einen YouTube-Promi mit vergleichsweise wenig Synchron-Erfahrung. Das Problem dabei liegt nicht nur in der Hoffnung der Synchronstudios, mehrZuschauer durch bekannte Sprecher in den Kinosaal zu locken, auch nicht an Ranges Performance an sich, das Problem liegt vielmehr darin, dass Bodo Wolf sich nicht nur über Jahre hinweg in der „Batman: Arkham“-Reihe als der Joker etabliert hat, sondern auch darin, dass sein Co-Star David Nathan als Batman seine Rolle behalten konnte. Ich habe mich so sehr an Bodo Wolf und David Nathan als Gegenspieler gewöhnt, dass es surreal und falsch war, Erik Range, einen der größten Stars meiner Kindheit, als Gegenspieler zu David Nathans Batman zu hören. Der Fakt, dass „Gronkh“ für mich so eine prominente Figur darstellt, war kein Grund für mich, denKinosaal zu besuchen, sondern hat mich vielmehr davon abgehalten, dem Film in der deutschen Fassung eine Chance zu geben. Und es ging weiter, denn Erik Range übernahm auch in „Spider-Man: A New Universe“ (2018) die Rolle des Bösewichts und Julien Bam ist ab heute in den deutschen Kinos als Sonic zu hören.

Also ist deutsche Synchronisation nun schlecht? Nein, und sich dafür schämen, Filme auf Deutsch zu schauen, muss sich erst recht niemand. Filme auf Deutsch zu schauen ist nun einmal eine Präferenz, genauso wie es eine Präferenz sein kann, sie im O-Ton zu genießen. Allerdings hat auch die Synchronnation Deutschland weiterhin an seinen Synchronisationen zu feilen, denn die Bedingungen für die Sprecher haben sich in den letzten Jahren nur verschlechtert, und der Fakt, dass Sprecher mit Ausbildung durch Promis ersetzt werden, nur um im Marketing mit ein paar bekannten Namen angeben zu können, lässt die deutsche Synchronkultur auch in keinem besonders schönen Licht dastehen. Doch auch unter diesen Bedingungen kann Synchronisation noch gut sein, und in diesen Fällen freue ich mich für jeden, der seine Filme synchronisiert schaut und der durch die deutsche Synchronkultur einen Einblick in Filme kriegt, die er sonst nicht gucken könnte. Am Ende bleibt nicht viel mehr übrig, als ein hoffnungsvoller Blick in die Zukunft, denn Deutschland ist nicht umsonst bekannt, als die Synchronnation schlecht hin. ¹

¹Bräutigam, Thomas: DEUTSCHLAND, EINE SYNCHRONNATION (Stand: Januar 2017) https://www.goethe.de/de/kul/flm/20894148.html [13.02.2020]

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